Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
bestimmen, aber sie ließ sich endlich durch die Rede der Frau Wirtin besänftigen und ging mit dieser guten Frau allein nach einem Zimmer, um sich in vollständigere Kleidung zu werfen. Der Wirt fing gleichfalls an, dem Herrn Jones seine wohlgesetzte Entschuldigungsrede [163] zu halten, ward aber alsbald von diesem großmütigen Jüngling unterbrochen, welcher ihn bei der Hand faßte, solche herzlich schüttelte und ihn einer völligen Verzeihung versicherte, indem er sagte: »Wenn Sie zufrieden sind, mein guter Freund, so versichre ich Sie, bin ich's gleichfalls.« Und in der That hatte der Wirt in einem gewissen Sinne die meiste Ursache, zufrieden zu sein, denn sein Zwerchfell war ihm tüchtig durchgewalkt, dahingegen Jones kaum einen einzigen Schlag bekommen hatte.
Rebhuhn, der diese ganze Zeit über an der Pumpe seine blutige Nase gewaschen hatte, trat in eben dem Augenblick wieder in die Küche, als sein Herr und der Gastwirt einander die Hände schüttelten. Als ein friedliebender Mann nahm er diese Anzeichen der Aussöhnung mit Vergnügen wahr, und obgleich sein Antlitz hin und wieder Merkmale von Susannens Fäusten, noch mehr aber von ihren Nägeln aufzuweisen hatte, so wollte er sich doch lieber mit dem behelfen, was ihm das Glück im vorigen Kampfe beschert hatte, als es versuchen, seine Scharte in einem neuen auszuwetzen.
Die heroische Susanne war ebenfalls mit ihrer Viktoria ganz wohl zufrieden, ob ihr solche gleich ein blaues Auge eingetragen, welches ihr Rebhuhn gleich im ersten Anfalle gefärbt hatte. Auch unter diesen beiden ward also ein Friedensbündnis errichtet und eben die Hände, welche die Werkzeuge des Krieges gewesen, wurden jetzt zu einem Zeichen der Versöhnung gebraucht.
Solchergestalt war nunmehr die Ruhe auf allen Seiten völlig wieder hergestellt, worüber der Feldwebel, ob es gleich den Grundsätzen seines Handwerks schnurstracks zuwiderlaufend scheinen mag, seinen Beifall bezeigte: »So recht!« sagte er. »Das ist freundschaftlich, sackerlott! ich kann's in Tod nicht leiden, wenn 'n paar Leute mit 'n ander maul'n, wenn se enmal so 'n Verstoß mit 'nander gehabt hab'n. Wenn 'n paar Freunde sich verzürnen, so ist der beste Weg, daß se nicht lange um d'n Brei 'rum gehn, sondern 's kurz und gut, wie man zu sagen pflegt, als Freunde ausmachen, entweder mit Fäusten oder dem Degen, oder mit Pistolen, was sie am liebsten wollen, und denn damit aus und holla! Kurze Haare sind bald gebürstet! Ich meinesteils bei allen sapperment! ich hab' meinen Freund niemals lieber, als wenn ich mich mit'n herumfechte. Ein rechtlicher Kerl muß sein Lebstag keinen Groll hegen!«
Er schlug darauf eine Libation, als einen wesentlichen Teil der Zeremonie bei allen Freundschaftsschlüssen dieser Art vor. Vielleicht macht der Leser hier den Schluß, er habe in der alten Geschichte sehr bewandert sein müssen: das ist nun freilich wahrscheinlich genug! Gleichwohl kann ich's nicht mit Zuversicht behaupten, weil er zu Unterstützung dieser Gewohnheit keine Autorität anführte. Dennoch [164] ist es sehr wahrscheinlich, daß er seine Meinung auf sehr gute Autoritäten gründete, weil er solche mit manchen tüchtigen militärischen Flüchen, die ich hier nicht wiederholen mag, nachdrücklich bestärkte.
Kaum hatte Jones den Vorschlag vernommen, als er dem Kriegsmanne beistimmte, eine Opferschale, oder vielmehr einen reichhaltigen Napf, angefüllt mit einem Getränke, das bei solchen Gelegenheiten gebräuchlich ist, herbeizuschaffen befahl, und dann selbst mit der Zeremonie den Anfang machte. Er legte seine rechte Hand in die Hand des Gastwirts, faßte mit der linken den Napf, sprach die gewöhnlichen Worte und machte also seine Libation, worauf alle Anwesende nach der Reihe dasselbige thaten. In der That ist es eben nicht nötig, diese Zeremonie sehr umständlich zu beschreiben, weil sie von den Libationen, worüber wir bei den alten Schriftstellern und bei ihren neuern Nachbetern so vieles aufgezeichnet finden, fast wenig oder gar nicht unterschieden ist. Der wichtigste Unterschied liegt in zwei Umständen. Erstlich goß die gegenwärtige Gesellschaft das Getränk bloß in ihre Gurgel, und zweitens trank der Feldwebel, welcher hier das Amt eines Priesters verrichtete, zuletzt. Allein, ich glaube, er beobachtete den alten Brauch, indem er von dem Opfertranke ungleich mehr zu sei nem Anteile verschluckte, als die übrige ganze Gesellschaft, und auch die einzige Person bei dem Opfermahle war, die zu der
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