Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
liebenswürdigen Sophie, schuldig war. Kurzum, die verliebte Unterhandlung war kaum geendigt, und kaum hatte die Dame ihre Hauptbatterie dadurch demaskiert, daß sie nachlässigerweise ihr Halstuch vom Busen fallen ließ, als das Herz des Herrn Jones völlig eingenommen ward und die schöne Siegerin die gewöhnlichen Früchte ihrer Viktorie einerntete. – Hier erachten die Grazien für diensam, ihrer Beschreibung ein Ende zu machen, so wie wir dem Kapitel.
Sechstes Kapitel.
Freundliches Gespräch in der Küche, das sich zwar gewöhnlich, aber nicht freundschaftlich schließt.
Unterdessen, daß unsre Verliebten einander auf die Art und Weise unterhielten, wie wir zum Teil im vorigen Kapitel beschrieben haben, verschafften sie auch ihren guten Freunden in der Küche Stoff zur Unterhaltung, und zwar in einem doppelten Verstande, teils Materie zu ihrer Unterredung und teils zu trinken, um ihr Herz fröhlich und guter Dinge zu machen.
Da waren außer dem Herrn Wirt und der Frau Wirtin, die gelegentlich ab- und zugingen, um das Küchenfeuer her versammelt: der ehrliche Rebhuhn, der Feldwebel und der Kutscher, welcher die junge Dame und ihre Kammerjungfer hergebracht hatte.
[170] Nachdem Rebhuhn der Gesellschaft von alledem Bericht erstattet, was er in Ansehung der Umstände, in welchen Jones Madame Waters im Walde gefunden, von dem Mann von Berge vernommen hatte, fuhr der Feldwebel fort, denjenigen Teil ihrer Geschichte zu erzählen, welcher ihm selbst bekannt war. Er sagte, sie sei die Gemahlin eines gewissen Herrn Waters, der als Hauptmann bei demselben Regimente stände, unter welchem er diente, und mit dem er oft einerlei Standquartier gehabt hätte. »Gewisse Leute,« sagte er, »wollen zwar ihren Zweifel daran haben, ob sie so ganz rechtmäßig vom Priester getraut wären. Das geht aber mich für meinen Teil nicht so viel an als eine Pfeife Tabak, das muß ich gestehen, wenn ich darüber auf meinen Feldwebelseid in Kriegsrecht verhört würde, so würd' ich nichts andres sagen können, als, ich glaube, 's mag wohl nur soso mit dem Dinge stehen, und wie mir dünkt, mag der Herr Hauptmann zum Himmel fahren, wenn die Sonne zu Mitternacht scheint. Aber meinethalben! Kurze Haare sind bald gebürstet. Wenn er 'mal hinfährt, wird's'm an Gesellschaft nicht fehlen. Und die gnädige Frau, – na! auch dem Teufel muß man sein Recht lassen! Die gnädige Frau ist ein ganz guter Schlag von Frau und hält was aufs Königs Montierung, und ist immer darauf gestellt, daß der nicht zu nahe geschieht, denn sie hat schon manchen armen Soldaten losgebeten, und wenn's auf sie ankäme, so würde gewiß keiner davon eine Regimentsstrafe leiden. Aber sapperment, wahr ist's auch, daß Fähnrich Northerton und sie sich immer ganz dicke miteinander standen, als wir in dem letzten Quartiere lagen. Das ist die Wahrheit! und 's Ende vom Liede. Aber der Hauptmann weiß davon kein Wort; und was thut's auch, solange wie er deswegen noch nicht zu darben nötig hat? Er hat sie deswegen noch nicht um eine Pfanne Pulver weniger lieb, und würde beim sackerlot einen jeden Kerl durch die Rippen stoßen, der ihr was zu nahe sagte. Deswegen mag ich auch nichts Böses von ihr ausbringen, ich nicht, ich sag' nur das nach, was die Leute sagen, und ich sollte doch meinen, sapperment, was jedermann sagt, daran müßte doch wohl ein bißchen wahr sein!« – »Freilich, freilich! recht viel Wahres! darauf kann man sich verlassen,« rief Rebhuhn,
»veritas odium parit.«
– »Nichts als schändliche, stinkende Verleumdung!« antwortete die Wirtin vom Hause, »wahrhaftig, nun da sie angekleidet ist, läßt sie recht als einer hübschen, vornehmen Dame, und sie führt sich auch auf als eine vornehme Dame, denn sie hat mir eine Guinee gegeben, daß ich ihr nur meine Kleider gelehnt habe.« – »Eine recht hübsche, vornehme Dame, mein Seel!« fiel der Wirt ein. »Und wenn du nicht ein bißchen zu hastig gewesen wärst, so hättest du den Hophei nicht mit ihr gemacht, wie du gleich anfangs thatest.«
[171] »Das hätt'st du eben nicht nötig mir unter die Nase zu reiben, wahrhaftig!« antwortete sie. »Denn wenn's deine Schafköpfigkeit nicht gethan hätte, so möchte das ganze dumme Stückchen wohl unterblieben sein. Aber da muß Er sich immer in alles mischen, was Ihm nichts angeht und seine närrische Nase in jeden Kehricht stecken.« – »Nu, nu, Schatz!« antwortete er, »zu geschehenen Dingen das beste reden, und damit laß die Sache gut sein!«
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