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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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unglückliche Person, wofür er sie hielte, setzte aber hinzu, sie wundere sich, wie sie jemand in dieser verstellenden Kleidung erkennen könnte; worauf der Unteroffizier erwiderte: er wäre sehr erstaunt, Ihro Gnaden in solcher Kleidung zu erblicken, und er fürchte, es müsse ihr ein widriger Unfall begegnet sein. – »Ein sehr widriger Unfall freilich ist mir begegnet,« sagte sie, »und ich bin diesem Herrn,« sie zeigte auf Jones, »gar höchlich verbunden, daß es nicht der allerunglücklichste geworden ist, oder daß ich nur noch lebe, um davon sprechen zu können.« – »Der Herr mag so viel gethan haben als er will,« ließ sich der Unteroffizier hören, »so bin ich gewiß, der Herr Hauptmann wird's ihm wieder gut machen, und wenn ich Ihr' Gnaden in irgend etwas dienen kann, so brauchen Ihr' Gnaden nur zu befehlen und ich will mich glücklich dünken, wenn ich der gnäd'gen Frau meine geringen Dienste zu leisten im stande bin, und das muß ein jeder thun, denn ich weiß, der Herr Hauptmann wird's sehr reichlich belohnen.«
    Die Gastwirtin, welche oben von der Treppe alles anhörte, was zwischen dem Unteroffizier und Madame Waters vorging, kam in aller Eile herunter, rannte gradesweges auf sie zu und begann wegen aller vorigen Beleidigungen um Verzeihung zu bitten, mit dem Ersuchen, ihrer Unwissenheit von ihrem Stande die Schuld zu geben: »Denn, liebster Himmel! gnädige Frau,« sagte sie, »wie hätte ich's mir einfallen lassen können, daß eine Dame von Ihrem vornehmen Stande in solcher Kleidung aufgezogen kommen könnte? Gewiß und wahrhaftig, Madam, hätt' ich nur die geringste Vermutung gehabt, daß Ihr' Gnaden Ihr' Gnaden wären, die Zunge hätt' ich mir lieber aus dem Halse brennen lassen, ehe ich gesagt hätte, was ich gesagt habe, und ich hoffe, Ihr' Gnaden werden sich's gnädigst gefallen lassen, von meinen Kleidern eins anzunehmen, bis Sie Ihren eignen Koffer bekommen.«
    »Was will die Frau,« sagte Madame Waters, »mit ihrem dummen Geschwätz? Meint Sie, daß ich mich im geringsten um [162] das Geschwätz bekümmere, das über die Lippen solcher niedrigen Kreaturen geht als Sie ist? Aber ich wundere mich nicht wenig über Ihre Dreistigkeit, daß Sie meint, ich werde nach dem, was vorgefallen ist, etwas von Ihren schmutzigen Lumpen über meinen Leib ziehen. Sie muß wissen, gute Frau, daß mir dazu die Nase zu hoch gewachsen ist!«
    Hier legte sich Jones ins Mittel und bat Madame Waters, der Wirtin zu verzeihen und ihr Kleid anzunehmen. »Denn ich muß bekennen,« fuhr er fort, »unser Aufzug war ein wenig verdächtig, als wir zuerst ins Haus kamen, und die gute Frau Wirtin that alles, wie ich überzeugt bin, was sie that, aus bloßer Besorgnis für den guten Namen ihres Hauses, wie sie selbst gesteht.«
    »Ja, bei aller Heiligkeit, das that ich! Der Herr spricht doch noch wie 'n rechtlicher Herr und man siehts 'n deutlich an, daß er's ist. Und in Wahrheit, mein Haus ist für ein so wohlberüchtigtes Haus bekannt, als nur eins an der ganzen Heerstraße sein kann. Und ohne Ruhm zu melden wird es von den besten von Adel und Grafen und Herrn besucht, sowohl Irländern als Engländern. Und Trotz sei einem jeden geboten, der mir in dem Punkte die geringste Verleumdung nachsagen kann. Und wie ich schon gesagt habe, hätt' ich's nur mit einem halben Wörtchen gewußt, daß Ihr' Gnaden Ihr' Gnaden wären, ich hätte mir lieber die Finger im Feuer verbrannt, als daß ich sie an Ihr' Gnaden hätte legen wollen! Aber freilich, wo hübsche honette Leute kommen und ihr Geld verzehren, da mag ich auch nicht, daß sie ihr Aergernis haben sollen, an en Kuppel Lumpenbagasche, die, wo sie hinkommen, mehr Läuse als bares Geld absetzen. Mit solchem Volke habe ich in meinem Leben kein Mitleiden, und 's ist auch wahrhaftig nur närrische Dummheit, wenn man's mit ihnen hat. Und wenn unsre Orts-Obrigkeiten ihre Schuldigkeiten thäten, so müßt' es alles aus dem Land hinausgepeitscht werden, und das wär' wahrhaftig für solch Zeug das beste! – Ja, aber was Ihr' Gnaden anbelangt, so thut mir's von Herzen leid, daß Ihr' Gnaden ein Unglück begegnet ist, und wenn Ihr' Gnaden mir die Ehre anthun wollen, so lang eins von meinen Kleidern anzuziehen, bis Ihr' Gnaden Ihre eigenen bekommen können, so soll wahrhaftig das beste, was ich nur in meinem Leben habe, Ihr' Gnaden zu Dienste stehen.«
    Ob Kälte, Schamhaftigkeit, oder die Ueberredung des Herrn Jones das meiste über Madam Waters vermochten, will ich nicht

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