Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
ihr, wie sie sagte, gleich teuer.«
Die Gastwirtin fing nun ebenso heftig an zu schreien, als vorher die arme Frau im Bette gethan hatte. Sie winselte, sie wär' eine geschlagene Frau, der gute Name ihres Hauses, dem noch niemals ein Fleck angehängt wäre, sei nun mit einem Male dahin. Indem sie sich darauf an die Männer wendete, schrie sie: »Was, in's Satans Namen! ist denn die Ursach' von all dem schändlichen Lärmen hier in Ihr' Gnaden Schlafzimmer?« Fitz Patrick ließ die Ohren mächtig hängen und wiederholte, er habe einen Irrtum begangen, deswegen er herzlich um Verzeihung bitte, und begab sich darauf mit seinem Landsmann hinweg. Jones, welcher zu leicht etwas begriff, um den von seiner Schönen gegebenen Wink auf die Erde fallen zu lassen, behauptete keck und kühn: »Er wäre, wie er gehört, daß man die Thüre aufgebrochen, zu ihrem Schutze herbeigerannt. In was Absicht der Einbruch geschehen, könne er nicht wissen, wofern sie nicht hätten die Dame bestehlen wollen; wenn das aber ihr Vorsatz gewesen, sagte er, so hätt' er das Glück gehabt, sie daran zu verhindern.« – »In meinem Hause ist noch niemand bestohlen worden, so lang' ich die Wirtschaft darin führe,« sagte die Wirtin. »Sie müssen wissen, Herr, wenn Sie so gut sein wollen, daß ich in meinem Hause keine Straßenräuber beherberge. Ich kann den Namen auf'm Winde nicht leiden, obschon ich's selbst sage. Ich nehme niemand als hübsche vornehme Leute in mein Haus und Zimmer, und ich kann's dem Himmel nicht genug danken, ich habe solcher vornehmen Kunden immer die Hülle und Fülle gehabt, so viel als ich immer nur habe unterbringen können. Da sind ihr'r hier gewesen der Herr Graf« – und hier betete sie ein ganzes Verzeichnis von Namen und Titeln her, die wir nicht alle nennen mögen, aus Furcht, einer oder der andre möchte es uns als einen Mißbrauch der Preßfreiheit auslegen. Nachdem ihr Jones lange zugehört hatte, unterbrach er sie endlich dadurch, daß er sich gegen die Dame darüber entschuldigte, daß er vor ihr im Hemde erschienen wäre, und sie versicherte, nichts als die Besorgnis für ihre Sicherheit [187] hätte ihn dazu bringen können. Der Leser mag sich selbst ihre Antwort denken, sowie überhaupt ihr ganzes Betragen bis zum Ende des Auftritts hinaus, wenn er die Lage überlegt, in welcher sie sich zu befinden stellte, nämlich die Lage eines züchtigen Frauenzimmers, welches durch drei Mannspersonen in ihrer eignen Kammer aus dem Schlafe geweckt worden. Dies war die Rolle, welche sie zu spielen unternahm, und in der That führte sie solche so gut aus, daß sie von keiner Schauspielerin der besten Gesellschaft übertroffen werden konnte, so wenig auf der Bühne als hinter den Kulissen.
Und hieraus, deucht mich, können wir ganz ungezwungen einen Schluß ziehen, zu beweisen, wie außerordentlich natürlich dem schönen Geschlechte die Tugend sein müsse. Denn, obgleich vielleicht unter zehntausenden nur eine zu finden ist, aus welcher eine gute Schauspielerin zu machen wäre, und ob wir unter diesen gleich nur selten zwei antreffen, welche mit gleicher Geschicklichkeit eine und eben dieselbe Rolle vorzustellen im stande sind, so spielen sie doch alle die Rolle der Tugend mit gleich großer Vollkommenheit, sowohl diejenigen, welche keine haben, als diejenigen, welche sie besitzen.
Als die Mannspersonen alle fortgegangen waren, erholte sich Madame Waters nicht nur von ihrer Furcht, sondern auch von ihrem Zorn und Eifer, und fing an, mit der Wirtin in einem viel linderen Tone zu sprechen. Diese aber konnte sich der Besorgnis für den guten Namen ihres Hauses nicht so schnell entschlagen, zu dessen Behuf sie von neuem eine lange Reihe von großen und vornehmen Personen herzählte, welche unter ihrem Dache geschlafen hätten. Madame Waters ließ ihr aber nicht Zeit, die ganze Liste zu vollenden, sondern, nachdem sie solcher aufs nachdrücklichste versichert hatte, wie sie gar nicht glaube, daß sie im geringsten schuld an der vorgefallenen Unruhe sei, bat sie, sie möchte sie jetzt ihrer Ruhe überlassen, weil sie, wie sie sagte, das übrige der Nacht in Frieden zu verschlafen hoffte. Worauf dann die Wirtin mit vielen Komplimenten und Knicksen ihren Abschied nahm.
Drittes Kapitel.
Ein Dialog zwischen der Gastwirtin und Susanna, dem Stubenmädchen; für alle diejenigen, welche öffentliche Wirtschaften führen, wie auch für ihre Bediente nützlich und erbaulich zu lesen. Ferner, Ankunft und leutseliges Betragen einer
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