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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Geschrei an und fiel auch in keine Ohnmacht, damit ist aber nicht gesagt, daß ihr der Puls nicht ein wenig heftiger geschlagen haben mag, denn anfangs war sie nicht ohne alle Befremdung und Besorgnis; aber diese legten sich auch wieder ebenso geschwind, wie sie sich erhoben hatten, als der Reiter seinen Hut abzog und ganz unterthänigsterweise fragte: »Ob Ihr Gnaden nicht hier ein ander Frauenzimmer zu finden gemeint hätten?« und dann mit der Nachricht fortfuhr, »er sei hergeschickt, sie nach diesem Frauenzimmer hinzubringen.«
    Sophie hatte keine Ursache zu argwöhnen, daß diese Nachricht falsch sein möchte; sie stieg also mit aller Entschlossenheit hinter diesen Kerl aufs Pferd, der sie wohlbehalten nach einem ein paar Stunden weit davon entlegenen Flecken brachte, woselbst sie das [217] Vergnügen hatte, die gute Jungfer Honoria zu finden; denn weil die Seele dieser Krone aller Kammerjungfern mit ebenso innigen Banden an ihre Kleider gebunden war, als diese durch Schnürband und Schleifen an ihren Körper befestigt zu sein pflegten, so konnte sie auf keine Art und Weise dahin gebracht werden, diese Lieben aus den Augen zu lassen. Bei ihnen hielt sie also in eigner Person die Wache, derweil sie den vorbesagten Mann zu Pferde nach ihrer Herrschaft abschickte, nachdem sie ihn mit allem benötigten Unterricht ausgerüstet hatte.
    Nunmehr gingen sie zu Rate, was für ein Weg zu nehmen sei, um dem Nachjagen des Herrn Western auszuweichen, denn sie wußten, daß er ihnen, ehe wenige Stunden vergingen, nachsetzen lassen würde. Die große Heerstraße nach London hatte so viel Anziehendes für Jungfer Honoria, daß sie Verlangen trug, solche unmittelbar zu wählen, und zum Grund anführte, daß Sophie vor acht oder neun Uhr morgen früh nicht vermißt werden würde und sie also die Leute, welche ihr nachsetzten, nicht einholen könnten, wenn sie auch wüßten, welchen Weg sie genommen hätte. Sophie aber spielte viel zu hohes Spiel, um etwas aufs Geratewohl ankommen zu lassen, dabei wagte sie es auch nicht, bei einer Wette, die bloß durch die Schnelligkeit entschieden werden mußte, zu viel Vertrauen auf ihren zarten Körper zu setzen. Sie faßte also den Entschluß, wenigstens einige acht bis zwölf Stunden weit querfeldein bloße Landwege zu nehmen, und sich alsdann erst auf die Heerstraße nach London zu machen. Als sie des Endes ihre Pferde auf eine Strecke von acht Stunden nach einer Gegend hin gemietet hatte, wohin sie gerade nicht zu gehen gedachte, machte sie sich mit eben dem Vorreiter auf den Weg, welcher sie auf seinem Pferde von ihres Vaters Hause hierhergebracht hatte und welcher jetzt an Sophiens Statt eine weit schwerere sowohl, als weit weniger liebenswürdige Bürde hinter sich aufsacken mußte. Diese Bürde war nichts mehr und nichts weniger als ein großer Mantelsack, vollgestopft mit den auswendigen Leibeszieraten, vermittelst deren die schöne und tugendbelobte Honoria nicht wenige Eroberungen und am Ende noch ihr Glück in der geld-und mannreichen Stadt London zu machen hoffte.
    Sie mochten ungefähr ein paar hundert Schritte von der Herberge auf dem Wege nach London zurückgelegt haben, als Sophie zu dem Vorreiter hinanritt und mit einer Stimme, viel honigsüßer als jemals Anakreons Stimme sein konnte (ob man gleich sagen will, daß in seinem Munde ein Bienenschwarm geheckt), ihn bat, den ersten Nebenweg einzuschlagen, welcher auf Bristol zuginge.
    Lieber Leser, ich bin eben nicht abergläubig und halte auch nicht viel auf die Wunder neuerer Zeiten, ich gebe also das Nachfolgende [218] eben für keine unbezweifelbare Wahrheit aus, denn in der That kann ich es selbst kaum glauben, indessen verbindet mich die Treue eines Geschichtschreibers zu erzählen, was man zuversichtlich behauptet hat. Man sagt nämlich, das Pferd des Vorreiters sei von Sophiens Stimme so bezaubert worden, daß es auf einmal stockstill gestanden sei und einen großen Widerwillen bezeigt habe, einen Schritt weiter von der Stelle zu gehen. Gleichwohl kann das Faktum wahr und dabei weniger wunderbar sein, als wofür es ausgegeben wird, weil es scheint, daß die Wirkung gar wohl durch eine bloße natürliche Ursache hervorgebracht werden konnte; denn wenn der Vorreiter in dem Augenblicke mit der beständigen Anwendung seiner bewaffneten rechten Ferse (denn gleich dem Helden Hudibras war er nur mit einem Sporn bewaffnet) nachließ, so ist es mehr als möglich, daß diese Unterlassung allein das Tier zum Stillstehen bringen

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