Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
war.
Hier erhielt Honoria abermals die Kommission, Kundschaft einzuziehen, und sie hatte sich des Endes nicht so bald an die Wirtin gewendet und ihr die Person des Herrn Jones beschrieben, als diese scharfsichtige Frau anfing, wie man zu sagen pflegt, den Braten zu riechen. Als demnach Sophie ins Zimmer trat, begann die Wirtin, anstatt der Kammerjungfer zu antworten, folgendergestalt ihre Rede an die Herrschaft zu richten: »Ach, du allerliebste Zeit! Ja nu, da seh' mir einer! Wer sollte das gedacht haben! Das ist doch wahrhaftig das scharmantste Pärchen, das man mit seinen Augen sehen kann. Ja, du Jemini! das is kein Wunder, daß der Junker Ihr Gnaden so nachläuft. Er hat mir's wohl gesagt, daß Ihr Gnaden das schönste Fräulein in der ganzen Welt wären! Und wohl recht, wohl recht hat er! Nun, der Himmel laß' es ihm recht gut gehen, dem lieben Herzensjunker! Mich hat er recht gedauert; gewiß das hat er, wenn er so sein Kopfkissen in die Arme nahm und 's ans Herz drückte, und 's seine liebste, süßeste Soffi nannte. Ich hab's 'n so viel aus'n Sinne geredt, als ich nur immer konnte, daß er nicht in 'n Krieg gehn sollte; ich sagt 's ihm, 's gäbe ja der Kerls genug, die nichts bessers wert sind, als sich totschießen zu lassen, und nach denen sich keine so schöne liebe Fröln sehne.« – »Wirklich,« sagte Sophie, »die gute Frau muß nicht recht bei Sinnen sein.« – »O ja, o ja!« rief die Wirtin; »ich bin recht wohl bei Sinnen. Ihr Gnaden meinen wohl, daß ich nichts weiß? Ho! ich weiß wohl! Er hat mir alles gesagt.« – »Was vor'n dummer Kerl hat Ihr was von mein'n Fröln gesagt?« – »Kein dummer Kerl, gar nicht!« antwortete die Wirtin. »Der junge Herr war's, nach dem Sie sich erkundigt haben, und das ist wohl en recht hübscher junger Herr und hat das gnäd'ge Fröln Sophie von Western so lieb, als sein eignes Herzchen.« – »Mein gnädigs Fröln hätt' er lieb, Er! Sie muß wissen, gute Frau, wer meine gnädige Fröln lieb hab'n will, muß viel höcher geschoren sein.« – »Nun, nun, Norchen,« fiel ihr Sophie in die Rede, »werd' Sie nicht bös über die gute Frau, sie meint's ja recht gut.« – »Je Jemini! das versteht sich, warum sollt' ich's nicht,« antwortete die Wirtin, welche durch Sophiens milde Stimme und Worte mehr Mut bekam und nun eine lange Erzählung zu Markte brachte, die wir ihrer Langweiligkeit wegen hier nicht abschreiben, in welcher aber einige Stellen vorkamen, welche Sophien ein wenig mißfielen, dem Kammermädchen aber großen Aerger verursachten, welche daher Gelegenheit nahm, den Augenblick, da sie sich mit ihrer Gebieterin allein befand, den Herrn Jones wacker anzuschwärzen. »Es müßte ein herzlich [221] armseliger Schuft von Kerl sein,« sagte sie, »und müßte keine Liebe für eine Dame haben, deren Namen er in einem öffentlichen Wirtshause ans schwarze Brett hängen könnte.«
Sophie betrachtete sein Betragen in keinem so nachteiligen Lichte und war vielleicht mehr vergnügt über die heftigen Entzückungen seiner Liebe (welche die Wirtin ebensogut wie jeden andern Umstand übertrieben hatte), als sie sich durch das Uebrige beleidigt fand, und in der That schrieb sie alles auf Rechnung seiner ausschweifenden oder vielmehr aufbrausenden Leidenschaft und auf die Offenheit seines Herzens.
Als ihr unterdessen dieser Vorfall nachmals wieder von Jungfer Honoria ins Gedächtnis gebracht und ins verhaßteste Licht gestellt wurde, trug er dazu bei, daß sie den unglücklichen Vorfall zu Upton um so leichter glaubte und um so höher aufnahm, und leistete der Putzjungfer gute Hilfe, ihre Herrschaft zu überreden, daß sie den Gasthof verließ, ohne Herrn Jones zu sprechen.
Als die Wirtin merkte, daß Sophie gesonnen sei nicht länger zu bleiben, als bis die Pferde gesattelt wären, und zwar ohne weder zu essen noch zu trinken, so ging sie bald zum Zimmer hinaus, worauf Honoria anfing, ihrer Gebieterin die Lektion zu verhören (denn sie nahm sich in der That viel Freiheit heraus), und nach einer langen Vorrede, in welcher sie solche an ihren Vorsatz nach London zu gehn erinnerte und mehr als einmal darauf stichelte, wie unschicklich es sei, einem jungen Menschen nachzureisen, beschloß sie endlich mit der sehr ernsthaften Vermahnung: »Um des Himmels willen, gnädigs Fröln, thun Sie doch was Sie thun und bedenken Sie, was Sie vorhab'n und wohin Ihr Weg geht.«
Diese Vermahnung, gerichtet an ein Frauenzimmer, das bereits seine zwölf bis sechzehn Stunden
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