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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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zugetragen haben, ihn so geradeswegs auf die Spur seiner Gebieterin zu bringen, wenn die Vorsehung nicht zum Endzweck hätte, sie zuletzt noch zusammenzubringen.« Und dies war das erste Mal, daß Jones auf die abergläubische Rockenphilosophie seines Gefährten ein wenig achtgab.
    Sie waren noch keine Stunde gegangen, als sie ein heftiger Regenschauer überfiel, und da sie sich eben nicht weit von einem Kruge befanden, erhielt Rebhuhn durch inständiges Bitten von Herrn Jones, daß sie hineingingen, um den Schauer vorübergehen zu lassen.
    Hunger ist ein seltsamer Feind (wenn man ihn wirklich einen Feind nennen kann), denn man mag ihn noch so oft besiegen, so [7] sammelt er nach gewisser Zeit immer wieder alle seine Kräfte. So that er auch jetzt in Ansehung Rebhuhns, welcher nicht so bald in der Küche angelangt war, als er ebendieselben Fragen zu wiederholen begann, die er den Abend zuvor gethan hatte. Die Folge davon war ein vortrefflich kalter Rindsrücken, der zu Tische gebracht wurde, wovon nicht nur Rebhuhn, sondern auch Jones selbst ein herrliches Frühstück zu sich nahmen; obgleich der letztere wieder ein wenig unruhig ward, weil die Leute im Hause ihm keine frische Nachricht von Sophie geben konnten.
    Als die Mahlzeit eingenommen war, machte sich Jones wieder bereit, ungeachtet des heftigen Sturms, der noch immer anhielt, seinen Stab weiter zu setzen. Aber Rebhuhn bat herzlich um noch eine Kanne Bier, und als er endlich die Augen auf einen Pferdeknecht warf, der eben in die Küche zum Feuer gekommen war und der ihn gerade in dem Augenblicke ebenso emsig ansah, wandte er sich plötzlich an Herrn Jones und sagte: »Geben Sie mir Ihre Hand, lieber Herr, mit einer Kanne soll's diesmal nicht ausgemacht sein. Sehn Sie nur, hier ist mehr Nachricht von Fräulein Sophie zur Stelle gelangt. Der Knecht, der da beim Feuer steht, ist eben der Vorreiter, der sie weggebracht hat. Ich kann's beschwören, daß es mein eignes Pflaster ist, das er im Gesichte trägt.« – »Gott lohn's ihm, Herr,« schrie der Bauer-Enke. »Ja wohl ist's Ihr Pflaster; ich habe Ursache, für Ihre Gutheit dankbar zu sein so lang ich lebe, denn es hat mich fast schon ganz geheilt.«
    Bei diesen Worten sprang Jones auf von seinem Stuhl und verlangte von dem Burschen, er sollte gleich mit ihm kommen, und so ging er aus der Küche nach einem besondern Zimmer. Denn so behutsam war er in Rücksicht auf Sophie, daß er niemals gern im Beisein mehrerer Leute ihren Namen nennen mochte und, ob er zwar gleichsam aus der Fülle seines Herzens den Namen Sophie als eine Gesundheit unter den Offizieren aufgegeben hatte, weil er es für unmöglich hielt, daß sie ihnen bekannt sein könnte, so wird sich doch der Leser erinnern, mit welcher Schwierigkeit man ihn dahin bringen konnte, ihren Familiennamen zu nennen.
    Hart war es deswegen, und vielleicht nach der Meinung meines einsichtsvollen Lesers sehr abgeschmackt und widernatürlich, daß er seine gegenwärtigen Widerwärtigkeiten hauptsächlich dem vermeinten Mangel an dieser Delikatesse zuzuschreiben hatte, von welcher er ein solches Uebermaß besaß. Denn in der That glaubte sich Sophie mehr durch diejenige Freiheit beleidigt, welche, wie sie und zwar nicht ohne gute Ursache meinte, er sich mit ihrem Namen und Charakter herausgenommen, als über jede andre Freiheit, welche er sich unter seinen jetzigen Umständen mit der Person eines andern Frauenzimmers [8] erlaubt hatte und, die Wahrheit zu sagen, glaube ich, Jungfer Honoria würde es nie über sie erhalten haben, Upton, ohne Herrn Jones zu sprechen, wieder zu verlassen, hätte sie nicht diese zwei starken Proben von einer Leichtsinnigkeit in seinem Betragen anzuführen gehabt, die so wenig Ehrfurcht zeigten und in der That mit dem geringsten Grade von Liebe und Zärtlichkeit in einer großen und delikaten Seele völlig unvereinbar waren.
    Aber so standen die Sachen und so muß ich sie erzählen, und wenn sich irgend ein Leser über ihren widernatürlichen Anschein entrüstet, so kann ich ihm nicht helfen. Solche Personen muß ich daran erinnern, daß ich kein System, sondern eine Geschichte schreibe, und daß ich nicht genötigt bin, alle und jede Dinge den eingeführten Begriffen von Wahrheit und Natur anzuschmiegen. Aber wenn mir das auch noch so leicht wäre, so möchte es dennoch vielleicht der Klugheit gemäß sein, es zu vermeiden. Denn zum Beispiel, wie das Faktum gegenwärtig vor uns da liegt, muß es, ohne daß ich im geringsten darüber

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