Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
Henker wollt' ich mich drum bekümmern, wem's von Rechtswegen zukäme!«
»Wenn dem also ist,« sagte Rebhuhn,
»felix quem
faciunt aliena pericula cautum.«
Der Wirt, welcher durch die Ankunft eines Reisenden zu Pferde vor den Thorweg hinausgerufen worden, trat wieder zur Küche herein und rief aus mit bangem Gesicht: »Was denken Sie, meine Herren, die Rebellen sind dem Herzog entwischt und sind fast schon bis London gekommen – 's ist ganz gewiß wahr; denn eben hat mir's ein Mann zu Pferde erzählt.«
»Ei, das ist mir von Herzen lieb,« schrie Rebhuhn, »denn so wird hier in dieser Gegend nichts zu fechten vorfallen.«
»Mich freut's,« rief der Schreiber, »aus einer bessern Ursache, denn ich möchte immer, daß ein jedweder bekäme, was ihm von Rechtswegen gehört.«
»Ja wohl, freilich,« antwortete der Wirt. »Aber ich habe wohl Leute sagen hören, daß dem Ritter von Rechtswegen nichts zukomme.«
»Ich will den Augenblick das Gegenteil beweisen,« rief der Schreiber. »Wenn mein Vater stirbt im Besitz eines Rechts, merken Sie mich, merken Sie mich wohl, im Besitz eines Rechts, sag' ich, fällt nicht das Recht auf seinen Sohn, und fällt nicht ein Recht so gut auf den Sohn, als das andere?«
»Aber wie kann er ein Recht haben, uns zu Papisten zu machen?« sagte der Wirt.
»Keine Furcht davor!« rief Rebhuhn. »Was das Recht anbetrifft, das hat der Herr da bewiesen, so hell als die Sonne, was aber die Religion anlangt, die hat gar nichts mit der Sache zu thun. So was erwarten die Papisten selbst nicht einmal. Ein katholischer Priester, den ich recht gut kenne und der ein sehr ehrlicher Mann ist, hat mich auf seine Treue und Glauben versichert, daß sie an so was gar nicht dächten.«
[303] »Und ein andrer Priester von meiner Bekanntschaft,« sagte die Wirtin, »hat mir ebendasselbe gesagt. Aber mein Mann hat immer so eine Furcht vor den Papisten. Ich kenne eine große Menge Papisten, die eine recht wackre Art von Leuten sind und mit ihrem Gelde gar nicht knickern, und ich hab's mein Lebenlang damit gehalten, daß des einen Mannes sein Geld ebensogut ist als des andern sein's.«
»Sehr wahr, Frau Wirtin!« sagte der Puppenmeister, »meinetwegen mag eine Religion kommen, welche will, wenn nur nicht die presbyterische die Oberhand behält, denn das sind Feinde vom Marionettenspielen.«
»So, so! Ihrem Eigennutze wollten Sie also Ihre Religion aufopfern,« rief der Mann bei der Accise, »und wünschen, daß das Papsttum aufkomm', nicht wahr?«
»Gewiß nicht,« antwortete der andre. »Ich bin dem Papsttum so feind als es nur ein Mensch sein kann; aber 's ist einem doch noch ein Trost, daß man dabei sein Brot verdienen kann; das könnt' ich aber ja nicht bei der presbyterischen Religion. Das ist ausgemacht, ein jeder Mensch trachtet zuerst nach seinem ordentlichen Auskommen, das muß mir niemand abstreiten, und ich wette, wenn Sie die Wahrheit bekennen wollen, so fürchten Sie nichts mehr als Ihr Amt zu verlieren. Aber das hat keine Not, Freund! Accise wird sein unter einer andern Regierung sowohl, als unter dieser.«
»Das ist nun gewiß,« erwiderte der Accisbediente. »Ich müßte wohl ein schlechter Mann sein, wenn ich nicht des Königs Wort spräche, dessen Brot ich esse; das ist ja ganz natürlich, wie man zu sagen pflegt. Denn was geht's mich an, daß unter einer andern Regierung auch ein Accishof sein würde, weil meine Freunde vom Ruder kommen würden und ich ja nichts bessers erwarten könnte, als daß ich ihnen nachfolgen müßte. Nein, nein, Freund, ich werde mich niemals um meine Religion herumschwatzen lassen, bloß in Hoffnung einen Dienst unter einer andern Regierung zu bekommen, denn einen bessern kriegt' ich doch gewiß nicht, und sehr vermutlich wär' er schlechter.«
»Ja nun, das ist ja was ich sage,« rief der Wirt, »so oft die Leute sprechen, wer weiß was sich zutragen kann! Schlapperment! wär' ich nicht ein Schafskopf, wenn ich mein Geld, ich weiß nicht wem liehe, weil sich's zutragen könnte, daß er mir's wiedergäbe? In meinem Schrank ist's sicher, das weiß ich, und darin will ich's behalten.«
Der Aktenschreiber fand ein großes Gefallen an Rebhuhns weiser Denkungsart. Ob dies nun von der tiefen Kenntnis herkam, welche der erste von Menschen und Dingen besaß, oder ob [304] es in der Sympathie ihrer Gemüter seinen Grund hatte, denn sie waren beide im Herzen treue Jakobiten, genug sie reichten einander die Hände, schüttelten solche recht herzlich und tranken
Weitere Kostenlose Bücher