Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
haeret defixus in uno,
als was unsern Held bei dem, was er in der Scheune sah, ergriff. Als er mit großer Verwunderung allenthalben umhersah, näherte sich ihm eine sehr ehrwürdige Person unter freundschaftlichen Begrüßungen, welche viel zu herzlich waren, um sie höflich zu nennen. Dies war niemand anders als der Zigeunerkönig selbst. In seiner Kleidung war er von seinen Unterthanen nur sehr wenig unterschieden, führte auch keine königliche Kleinodien, um die Würde seiner Majestät zu unterstützen; und dennoch schien sich (wie Herr Jones sagte) in seinem ganzen Wesen etwas zu befinden, welches Würde und Ansehn ausdrückte und den Betrachter mit einer Art von Ehrfurcht erfüllte. Doch konnte alles dieses vielleicht nur in [24] Herrn Jones' Einbildung liegen und die Wahrheit ist vielmehr nur, daß dergleichen Ideen an den Begriff von Macht geknüpft sind und sich fast niemals davon trennen lassen.
In den offenen Gesichtszügen und dem höflichen Betragen des Herrn Jones befand sich ein gewisses Etwas, welches, begleitet von großer persönlicher Anmut, ihn jedermann beim ersten Anblick schon außerordentlich empfahl. Dies wurde vielleicht bei den gegenwärtigen Umständen noch durch den tiefen Respekt verstärkt, welchen er dem Zigeunerkönig von dem Augenblick an bezeigte, da er mit seiner Würde bekannt gemacht worden und welche Seiner Zigeunerischen Majestät um so behaglicher war, da solche nicht gewohnt waren, dergleichen Homagium von jemand anders, als von Dero eignen Unterthanen geleistet zu erhalten.
Der König befahl, einen Tisch mit dem Besten von den vorrätigen Speisen für Herrn Jones' Bewirtung zu besetzen, und nachdem Seine Majestät sich zu seiner rechten Hand gesetzt hatten, begannen Sie unsern Helden folgendermaßen mit einem Gespräch zu unterhalten.
»I denk' mer, mein blanker Brüdel, du sollst wohl scho mehrers unsern Leutn gsehn hon. Sö steiche jo bei enk so gut herum, als sunstwo. Abe, das bildst dör wohl net ein, daß Unse so fül Köpf haben, ind daß wör uns so guet unsre Haut wöhre kunte, wöngs deruf ankäm, als dö Franzosn, ode Preuse, ode Turkä. Inte uns gsagt, du wiest Maul und Aug'n aufspörn, wan I dör sag, daß dö Zigaina so guet ieri Obrikait ind ieri Härn han, dö's verstähn, wie mer dö Leut in Zucht und Ordnin halt.«
»Main Wänikeit is, oni Ruhm z' melde ier Künig 1 sind wol kener von Mainsgleichen kan si so grossi Stück aufn Ghorscham und Träu saner Unterdana ainbilde, als I. Ob I's um so verdiene thue, mag an andre sagn. Abe das kan I mör wol nachsage, daß I's mit ienen guet meinen thu, ind daß ihne in ierer Hand wol sahn mücht, wanns auf Mi' allan ankäm. I bild mör abe eb'n nicks drauf ain. 's g'schicht mör ja selbst wohl dabei, wenn's den arman Taif'ln wohl geht, dö johraus johrein alli Händvoll Arbät han, um mör das Bösti zu gäbe, was sö erwinden 2 könne. Drum [25] hab'n so mi a lieb änd halt'n grossi Stück auf mi, bloß wail I so lieb hab: sonst wust I nit, warum?«
»S' wärn wohl tausend ode gar zwöntausend Jahr san – auf a Haar kan I enks eb'n nit angeb'n – (Gottlob! I han wed'r les'n no schreib'n, ind was das böse niksnutzige Zaig fur a Nama hat, g'lärnt): da war a großi – wie haißt mörs do? – ä Voluzian, glaub' I, unter den Zigainan. Do hat's no Grafn in Härrn inter uns'rn Leut'n gäb'n, ind do hab'n si imma baim Kopf'n g'habt, wail aine dön anern übern Kopf wachse wollt. Abe König Ziehegahn verstund sain Handwerk ind fluggs war ain Zigaina so viel ind so groß als der anere. Sint san insri Leut so guet ind so friedli, wi dö Schaf. S' fallt kain mer ain a Künig san ze wolle. S' is a wohl 's bösti fur sö! Bai main Aid! blanker Brüderl, 's is kain Spaß a Künig san ind Recht ind Gerechtigkait imma bai der Hand han. Han of gewunschn, a g'mainer Zigaina ze san, wenn's not war, maine Freind ind Sippleut z' straf'n. Fraili giht's bai ins nie ans Leb'n 3 , abe drum san insre Straf'n do niks klains. Sö san alli druf aing'richt, daß der Zigaina si vor si selber schäme mueß, ind das, denk I, mueß wohl aingreif'n. I wüeßt nit, daß ä Zigaina, dör aimal so herg'nommen wor'n, wieda ainkommen wär.«
Der König fuhr drauf fort, seine Verwunderung zu bezeigen, daß in keiner andern Regierungsform die Beschämung als Strafe eingeführt wäre. Worauf ihn Jones des Gegenteils versicherte weil in den engländischen Gesetzen auf manches Vergehen Beschämung verordnet sei, und wäre solche auch wirklich
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