Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
eine von den ordentlichen Folgen aller Bestrafungen. »S' is do närr'sch!« sagte der König; »I hör' do a, was bai enk vorgeht, wan mör schon nit inter enk leb'n, ind da han I oft g'hört, daß ihr bald Sünd ind Schand belohnt, bald enkre Belohning a Schand is. Is dann bai enk Belohning ind Straf ain Ding?«
Als Seine Zigeunerische Majestät noch solchergestalt im Gespräch mit Jones begriffen waren, entstand ein plötzlicher Aufruhr in der Scheune und, wie es scheint, auf folgende Veranlassung: das höfliche [26] Benehmen dieses Volks hatte nach und nach dem Rebhuhn alle Furcht benommen und ihn dahin gebracht, nicht nur ein Erkleckliches von ihren Speisen zu sich zu nehmen, sondern auch von ihrem herzerfreuenden Getränk zu kosten, wodurch er denn allen Kummer und alle Sorgen aus Leib und Seele verbannte und dagegen weit angenehmern Gefühlen Raum gab.
Eine junge Zigeunerin, merkwürdiger wegen ihres Witzes als wegen ihrer Schönheit, hatte den ehrlichen Schlag unterm Vorwande, ihm gut Glück zu sagen, auf die Seite gelockt. Ob nun, als sie sich in einem entfernten Winkel der Scheune zusammen allein befanden, das starke Getränk wirkte, welches niemals so fähig ist, unordentliche Begierden zu entflammen, als nach einer mäßigen Leibesbewegung, oder ob die schöne Zigeunerin selbst die Zucht und Wohlanständigkeit ihres Geschlechts beiseite setzte und mit ausdrücklichem Verlangen den jugendlichen Rebhuhn in Versuchung führte – kurz, sie wurden von dem Ehegatten der Zigeunerin in einer sehr unschicklichen Lage entdeckt. Besagter Ehegatte, scheint es, hatte aus Eifersucht ein wachsames Auge über seine Ehegemahlin gehalten und hatte ihr bis an den Ort nachgespürt, woselbst er sie in den Armen ihres Buhlen ertappte.
Rebhuhn ward jetzt zur großen Beschämung des Herrn Jones vor den König geschleppt, welcher die Klage anhörte und auch die Verteidigung des Beklagten, welche freilich sehr lahm ausfiel: denn der arme Kumpan war durch den deutlichsten Beweis, der gegen ihn geführt wurde, beschämt und überführt und konnte wenig oder nichts zu seiner Rechtfertigung beibringen. Seine Majestät wandten sich hierauf an Jones und sagten: »Blanker Mann, hast g'hört, was m'r sagen thut: was für ä Straf'n thust meinen, hab' dein Mann verdient?«
Jones antwortete: Das Vorgefallene thäte ihm leid und Rebhuhn sollte zur Befriedigung des beleidigten Ehemanns alles thun, was nur in seinem Vermögen stände. Er habe eben nur wenig Geld bei sich, sagte er, griff mit der Hand in die Tasche und bot dem klagenden Zigeuner eine Guinee, worauf jener alsobald antwortete: er hoffe, der gnädige Herr und blanke Bruder würd' ihm nicht weniger geben als fünfe.
Nach einigem hin und wieder Dingen und Handeln ward die Summe moderiert bis auf zwei, und nachdem Jones die völlige Verzeihung sowohl für Rebhuhn als für die straffällige Zigeunerin zur Hauptbedingung gemacht hatte, wollte er das Geld auszahlen, als Seine Zigeunerische Majestät ihm die Hand zurückhielten, sich an den Zeugen wandten und solchen fragten: zu welcher Zeit er die Verbrecher zuerst entdeckt habe? Worauf er antwortete: der Ehemann [27] habe ihn gebeten, gleich beim ersten Augenblick, da seine Frau mit dem Fremden gesprochen habe, er möchte auf alle ihre Bewegungen achtgeben, und also habe er sie nicht aus den Augen gelassen, bis das Verbrechen verübt gewesen wäre. Der König fragte ferner: ob denn der Ehemann die ganze Zeit über bei ihm in dem Lauschewinkel gewesen sei? worauf er bejahend antwortete. Seine Zigeunerische Majestät wendeten sich hierauf an den Ehemann wie folgt: »S' thut mer laid, an Zigaina ze seg'n, der so wäni Ehr im Laib hat, daß iem die Ehr von sain Ehwai' fur Geld fail is. Hättst du dain Wai' lieb g'habt, so wär aus'n ganz'n Hand'l niks wor'n ind du hättst sö kain Hur wern lass'n, um sö zu d'ertapp'n. Drum is main Befelch: man soll dir kain Geld geb'n, denn du hast Straf' verdient ind kain Lohn. Dain Urtel is: du sollst ain Schandfleck han ind a paar Hörnl auf'n Kopf trag'n an ganz Monat lang; dain Waib soll die Zeitlang Hur heiß'n ind de Leut soll' mit Fingern uf sö zaig'n; dann du bist a schandlicher Zigaina ind sö is nit wäniger a Schandhur.«
Die Zigeuner schritten augenblicks dazu, den Urteilsspruch zu vollziehen, und ließen Herrn Jones und Rebhuhn bei Seiner Majestät allein.
Jones gab der Gerechtigkeit des Spruchs seinen innigsten Beifall, worauf der König zu ihm sagte: »I kan mer's wohl vorstell'n,
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