Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
wenn sie solche erhalten haben, sie zu keinem andern Endzweck anwenden, so reimt es sich selbst mit dem kleinsten Grade von Klugheit nicht, eine Aenderung in der Regierungsform zu wagen, wobei unsre Hoffnung nur auf dem schwachen Nutzen von zwei oder drei Ausnahmen unter tausend Beispielen beruht, welche uns die gegründetste Furcht verursachen. In diesem Falle ist es viel weiser gehandelt, sich den wenigen Unbequemlichkeiten zu unterwerfen, welche aus der unbeweglichen Taubheit der Gesetze entstehen, als solchen durch Bitten vor den beweglichen offenen Ohren eines Tyrannen abzuhelfen. Auch kann das Beispiel der Zigeuner hier nicht füglich angeführt werden, obgleich solche vielleicht seit undenklichen Zeiten unter dieser Regierungsform glücklich gewesen sein mögen; denn wir müssen den sehr wesentlichen Umstand nicht vergessen, in welchem sie sich von allen übrigen Völkern unterscheiden, und auf welche vielleicht ihre Glückseligkeit ganz und völlig beruht, nämlich, daß unter ihnen keine falsche Ehre eingeführt ist, und daß sie die Schande als die schrecklichste Strafe von der Welt betrachten.
Fußnoten
1 Seine Zigeunerische Majestät irren sich entweder, oder wollen nicht mit der rechten Sprache herausgehn. Wer Höchstdero Reich kennt, und dessen bis auf diesen Tag geheim gehaltenen Ursprung aus Aegypten durch die Priester der Isis, der weiß auch so viel, daß der Monarch nicht König, sondern Imperator genannt wurde.
Bolingbroke.
2 Se. Geheime Majestät, sieht man, haben wenigstens über die Wissenschaften ihrer Nation einen sehr decenten Ausdruck.
Arnold.
3 Da sieht man's! Alle Weisheit kommt doch aus dem Orient, wie William Hutchinson sagt. Todesstrafen hat also diese unbekannte Monarchie nicht mehr. Ob sie noch die
Question ordinaire et extraordinaire
haben mag, wie die aufgeklärteste Nation in Europa? – Sollten die Unbekannten so viel weiser sein als die Bekannten? Je nun! warum sollte man nicht wahre Weisheit selbst von Zigeunern und Juden lernen wollen, obgleich der Name der Letztern mit einem großen J anfängt?
Ketmia Vere.
4 Nerva, Trajan, Hadrian und die beiden Antonine.
Dreizehntes Kapitel.
Ein Dialog zwischen Herrn Jones und Rebhuhn.
Wir zweifeln nicht, die ehrlichen Liebhaber der Freiheit werden uns die lange Ausschweifung verzeihen, auf welche wir am Schlusse des vorigen Kapitels verleitet wurden, um zu verhindern, daß unsre Geschichte nicht mißbräuchlicherweise zum Behuf der allerschädlichsten Lehre angeführt werden möge, die nur jemals der Pfaffenhaufe die Bosheit oder Unverschämtheit gehabt hat zu predigen.
Wir wollen nunmehr mit Herrn Jones unsern Weg weiter fortsetzen, welcher, nachdem der Sturm vorübergegangen war, sich bei Seiner Zigeunerischen Majestät nach vielen Danksagungen für gütige Aufnahme und höfliche Bewirtung geziemendst beurlaubte und sich auf den Weg nach Coventry machte, wohin ihm ein Zigeuner [30] (denn es war immer noch finster) den Weg zu weisen befehligt wurde.
Jones hatte dadurch, daß er seines Weges verfehlt, statt sechs englischer Meilen elf reisen müssen und zwar auf einem der allerbösesten Wege, wo man nicht eilen konnte und hätte man auch eine Hebamme für eine Frau in Kindesnöten rufen wollen, deswegen er auch erst um zwölf Uhr in Coventry anlangte. Und hier war's ihm nicht möglich eher wieder auf den Sattel zu kommen, als nach zwei Uhr, weil es jetzt sehr schwer hielt Postpferde zu bekommen. Dazu kam noch, daß weder der Hausknecht noch der Vorreiter nur halb so eilig waren als er selbst, sondern lieber das ruhige Verhalten Rebhuhns nachahmten, welcher, da ihm die Erquickung des Schlafes versagt wurde, jede Gelegenheit wahrnahm, dessen Stelle mit jeder andern Art von Erquickung zu ersetzen, und sich niemals mehr freute, als wenn er in einem Wirtshause anlangte, und nie einen größern Verdruß empfand, als wenn er gezwungen ward, es wieder zu verlassen.
Jones reiste jetzt mit Kurierpferden. Wir wollen ihm also nach unsrer Gewohnheit und nach der Regel Longins auf eben die Weise folgen. Von Coventry ging er nach Daventry, von Daventry nach Stratford und von Stratford nach Dunstabel, woselbst er des folgenden Mittags ein wenig nach zwölf Uhr, und nur einige Minuten nachher, da Sophie den Ort verlassen hatte, anlangte, und ob er gleich genötigt war hier länger zu verweilen, als er wünschte, unterdessen ein Schmied mit großer Bedächtlichkeit dem Pferde, das er reiten sollte, ein neues Hufeisen
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