Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
und gleich darauf sich nach dem Wege nach Coventry erkundigte.
»Wenn Ihr ä kuter Freund seind,« rief ein andrer Mann in der Scheune, »so thunt 'r Ihr bässer, Ihr sitzt ob, bes d'r Sturm vorbei äs« (in der That war der Sturm jetzt sehr heftig), »Ihr mögt kerne Eure Röß' ins Treuge zieh'n, denn 's is Raum kenug dazu an einem Ende der Tenne.«
»Sie sind sehr gütig,« erwiderte Jones, »und ich werde Ihr Anerbieten auf ein paar Minuten annehmen, solange der Regen dauert, und ich habe hier noch ein paar Freunde, denen Ihr gütiges Anerbieten gleichfalls sehr zu statten kommen wird.« Dies ward gutwilliger zugestanden als angenommen, denn Rebhuhn hätte sich lieber der ärgsten Feindseligkeit des Wetters unterworfen, als sich der Freundschaft solcher Wesen anvertraut, die er für Gespenster und Poltergeister hielt. Auch der Vorreiter war jetzt schon von eben der Furchtsamkeit angesteckt, unterdessen sahen beide sich genötigt, dem Beispiele des Herrn Jones zu folgen, der eine, weil er's nicht wagen durfte, seine Pferde zu verlassen, und der andre, weil er nichts so sehr fürchtete, als daß er allein gelassen werden möchte.
Wäre diese Geschichte in den Tagen des Aberglaubens geschrieben, so hätte ich zu viel Mitleiden mit dem Leser gehabt, um ihn solange in ängstlichem Zweifel zu lassen, ob wirklich Beelzebub oder Satan in gehörnter Majestät mit ihrem ganzen höllischen Hofstaat leibhaftig erscheinen würden oder nicht; da aber heutzutage diese Lehren allerlei Unglück erfahren, und nur wenige oder gar keine Gläubige mehr finden, so bin ich eben nicht sonderlich auf meiner Hut gewesen, dergleichen Angst und Schrecken zu vermeiden. Die Wahrheit zu sagen, so haben sich die Direktoren der Schauspielhäuser schon längst das ganze Heergeleit der höllischen Region zugeeignet und scheinen den Plunder seit einiger Zeit in einen Winkel auf den Rumpelboden geworfen zu haben, weil er auf niemand mehr Wirkung thun will, als auf die Herren auf der obersten Galerie, ein Platz, auf welchem von unsern Lesern wohl nur sehr wenige sitzen.
Ob wir nun gleich eben nicht besorgen, bei dieser Gelegenheit sonderliche Angst und Schrecken zu erregen, so haben wir doch Ursache zu befürchten, ein oder der andre von unsern Lesern möchte auf Besorgnisse geraten, wozu wir ihn nicht gern vorsätzlich verleiten möchten, nämlich daß er dächte, wir ständen im Begriff, eine Reise ins Feenland zu thun und ihm in unsrer Geschichte eine Reihe von Wesen vorzuführen, an welche zu glauben wohl schwerlich jemand kindisch genug gewesen ist, obgleich viele thöricht genug gewesen sind, [23] beim Schreiben und Lesen ganzer Geschichten von ihren Abenteuern die liebe Zeit zu vergeuden.
Um also allem dergleichen Argwohn vorzubeugen, welcher der Glaubwürdigkeit eines Historikers, der von sich bezeugt, daß er seine Materialien bloß und allein von der Natur entlehne, so nachteilig ist, wollen wir jetzt dem Leser berichten, was es für Leute waren, deren unerwartete Erscheinung dem Rebhuhn solche Angst eingejagt, den Pferdeburschen mehr als halb erschreckt und Herrn Jones selbst ein wenig stutzig gemacht hatten.
Das in dieser Scheune versammelte Volk war demnach nichts mehr und nichts weniger als eine Bande Zigeuner, oder wie sie in andern Gegenden genannt werden, Tatern, welche eben die Hochzeit eines Mitgliedes ihrer Gesellschaft feierten.
Es ist unmöglich, sich einen glücklichern Haufen Volks zu denken, als das hier versammelte zu sein schien. Aus jeder Miene und Gebärde leuchtete wirklich die äußerste Fröhlichkeit hervor; auch war ihr Ball nicht gänzlich ohne Ordnung und Anstand. Vielleicht hatte er davon mehr, als man bei mancher Landassemblee antreffen möchte; denn dieses Volk steht unter einer eignen Regierung und eignen Gesetzen und alle leisten einer obrigkeitlichen Person, wel che sie ihren König, zuweilen auch nur Hauptmann nennen, freiwilligen Gehorsam.
Ein größerer Ueberfluß war gleichfalls nirgends zu finden als der, welcher in dieser Scheune herrschte. Man sah hier freilich weder große Zierlichkeit noch Eleganz; denn der scharfe Appetit der Gäste machte solche ganz entbehrlich. Hier war ein großer Vorrat von Schinken, von Geflügel und von Schöpsenfleisch, zu welchen ein jeder von den Gegenwärtigen eine bessere Brühe mitbrachte, als der beste und theuerste französische Koch zuzubereiten versteht.
Aeneas wird unter nicht größerm Erstaunen im Tempel der Juno beschrieben:
Dum stupet obtutuque
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