Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
den Papisten, nötig hätte, durch Hilfe von Gemälden erregt und erwärmt zu werden. Ich bin aber so weit entfernt, dem Publikum dergleichen aufstellen zu wollen, daß ich vielmehr wünschte, daß ich einen Vorhang über diejenigen ziehen könnte, die uns seit einiger Zeit in französischen Erzählungen vorgestellt werden, und wovon uns unter dem Namen von Uebersetzungen sehr schmutzige Kopien mitgeteilt worden sind.
Jones ward immer ungeduldiger seine Sophie sprechen zu können, und weil er nach wiederholten Versuchen der liebevollen Bellaston keine Wahrscheinlichkeit sah, durch ihre Vermittlung dazu zu gelangen – denn diese Dame begann vielmehr sich schon zu er zürnen, wenn er nur den Namen Sophie nannte – so entschloß er sich andre Mittel anzuwenden. Er zweifelte nicht, die Frau von Bellaston wüßte, wo sich sein Engel befände, und demnach hielt ers für wahrscheinlich, daß einer oder der andre von ihren Bedienten um dies Geheimnis gleichfalls wissen müsse. Deshalb ward Rebhuhn aufgetragen mit diesen Bedienten Bekanntschaft zu machen, um aus ihnen das Geheimnis herauszufischen.
Man kann sich wenig unleidlichere Situationen denken als diejenige, worein sich sein armer Herr nunmehr versetzt sah, denn außer den Schwierigkeiten, die sich ihm in den Weg legten, Sophie zu entdecken, außer der Furcht, worin er stand, sich ihr mißfällig gemacht zu haben, und der Versicherung, die er von der Bellaston von dem Entschluß erhalten hatte, den Sophie gegen ihn gefaßt, [77] und daß sie sich mit Fleiß vor ihm verborgen halte, eine Versicherung, die er hinlängliche Ursache hatte für wahr zu halten, hatte er noch mit einer andern Schwierigkeit zu kämpfen, welche aus dem Weg zu räumen selbst nicht in der Gewalt seiner Geliebten stand, wenn auch ihre Neigung gegen ihn noch so gütig und liebreich gewesen sein möchte. Dies war, daß er sie in Gefahr setzte von ihrem Vater völlig enterbt zu werden, und diese Folge war fast unvermeidlich, wenn sie sich vereinigten, ohne seine Einwilligung zu haben. Diese aber jemals zu erhalten, dazu war keine Hoffnung. Hierzu füge man noch die verschiedenen Verbindlichkeiten, womit die Dame Bellaston, deren heftige Verliebtheit wir nicht länger verbergen können, ihn überhäuft hatte, in solchem Maße überhäuft, daß er durch sie jetzt einer der bestgekleideten Männer in der Stadt war und nicht nur aus solchen lächerlichen Verlegenheiten, deren wir früher erwähnt haben, gerissen, sondern wirklich zu einem Stande des Ueberflusses erhoben worden war, dergleichen er vorher niemals gekannt hatte.
Nun gibt es freilich manche Herren, die es mit ihrem Gewissen ganz wohl reimen können, sich des ganzen Vermögens eines Frauenzimmers zu bemächtigen, ohne dafür die geringste Gegenleistung zu übernehmen, indessen ist für ein Gemüt, dessen Besitzer nicht geradezu den Galgen verdient, nichts lästiger, glaube ich, als aus bloßer Dankbarkeit den Verliebten zu machen, besonders wenn die Neigungen des Herzens eine entgegengesetzte Richtung genommen haben. Dies war der unglückliche Fall mit Herrn Jones. Denn wenn auch die tugendhafte Liebe, welche er für Sophie empfand und die in seinem Herzen für jedes andre weibliche Geschöpf nur sehr wenig Raum ließ, gar nicht ins Spiel gekommen wäre, so wäre er demungeachtet nicht im stande gewesen, der großmütigen Leidenschaft dieser Dame im gehörigen Maße zu entsprechen, welche ehedem freilich ein Gegenstand des Verlangens gewesen, jetzt aber wenigstens schon in den Herbst des Lebens getreten war, ob sie gleich noch alle Lebhaftigkeit der Jugend zeigte, sowohl in Kleidern als Sitten; ja, sie verstand es sogar die Rosen auf ihren Wangen zu erhalten, allein diese hatten, wie alle Blumen, die, durch Kunst getrieben, zur unrechten Zeit blühen, nicht den lebendigen, frischen Glanz, womit die Natur zur rechten Zeit ihre eigenen Kinder schmückt. Sie hatte nebenher auch noch eine gewisse Unvollkommenheit, wodurch gewisse Blumen, die sonst sehr schön ins Auge fallen, sehr unwahlfähig sind, in eine lieblich duftende Wildnis gepflanzt zu werden, und welche vor allen andern Unvollkommenheiten für einen liebeatmenden Anbeter die unangenehmste ist.
Ob nun gleich Jones alle diese niederschlagenden Dinge auf [78] einer Seite recht gut empfand, so fühlte er doch auf der andern seine Verbindlichkeit ebenso stark; er sah dabei recht gut die glühende Leidenschaft, welche ihm diese Verbindlichkeiten zugezogen, und wußte, die Dame würde
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