Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
ihn für undankbar halten, wenn er die außerordentliche Heftigkeit jener Leidenschaft mit gleichem Maße zu beantworten ermangelte, und, was noch schlimmer war, er selbst würde sich dafür gehalten haben. Er kannte die stillschweigend angenommene Vergeltung, wogegen alle diese Gunstbezeigungen auf ihn floßen, und da ihn seine Bedürfnisse nötigten sie anzunehmen, so, meinte er, verpflichte ihn seine Ehre, dafür den Preis zu zahlen. Dies also beschloß er zu thun, was für Herzeleid es ihm auch bringen möchte, und zwar nach eben dem großen Grundsatze des Rechts, nach welchem die Gesetze einiger Länder einen Schuldner, der seinen Gläubiger auf keine andre Weise bezahlen kann, verdammen, sich ihm zum Leibeigenen zu übergeben.
Als er eben über diese Sache nachdachte, brachte man ihm von der Dame folgenden Brief:
»Es hat sich ein närrischer aber sehr verdrießlicher Umstand zugetragen, seitdem wir uns das letztemal gesehen haben, und dies macht's unschicklich für mich, Sie wieder an eben dem Orte zu sprechen. Wenn's möglich ist, will ich's so einzurichten suchen, daß wir uns gegen Morgen an einem andern Orte sehen können. Unterdessen adieu.«
Diese Widerwärtigkeit, denkt der Leser vielleicht, war so groß eben nicht, aber, wenn auch, so ward sie schnell gehoben, denn in weniger als einer Stunde nachher ward ihm von eben der Hand ein anderes Papier gebracht, welches Folgendes enthielt:
»Ich habe meinen Vorsatz geändert, seitdem ich Ihnen geschrieben, und Sie werden sich über diesen Wankelmut nicht wundern, wenn Sie auch nur ein bißchen sich auf die zärtlichste aller Leidenschaften verstehen. Ich bin nun schlüssig, Sie diesen Abend in meinem eigenen Hause zu sehen, mag daraus entstehn was will. Kommen Sie mit dem Glockenschlag sieben. Ich esse zu Mittag auswärts, werde aber gegen die Zeit wieder zu Hause sein. Soviel sind' ich, für ein Herz das aufrichtig liebt, scheint ein Tag viel länger, als ich gedacht hätte.«
»Sollten Sie ja ein paar Minuten früher kommen, als ich da wäre, so lassen Sie sich nur ins Besuchzimmer führen.«
Die Wahrheit zu bekennen, war Jones über diese letzte Epistel nicht so vergnügt, als er's über die erste gewesen war, weil sie ihn abhielt dem dringenden Ersuchen des Herrn Nachtigall nachzugeben, mit welchem er jetzt viel freundschaftlichen Umgang zu halten begann. Dies Ersuchen bestand darin, er solle diesen jungen Herrn [79] und seine Gesellschaft nach der Komödie begleiten, wo den Abend ein neues Stück gegeben wurde, das eine ziemlich große Clique verabredet hatte auszupfeifen, weil sie den Verfasser nicht gut leiden konnten, der ein Freund von einem guten Bekannten des Herrn Nachtigall war. Und dieser Art von Neckerei, wir gestehen es ungern, hätte unser Held heute lieber vor der obbesagten gütigen Einladung den Vorzug gegeben, jedoch besiegte die Ehrliebe seine Neigung.
Wir halten es für einen Freundschaftsdienst, noch ehe wir unsern Helden zu seiner vorhabenden Zusammenkunft mit seiner Dame begleiten, die Veranlassung der beiden vorhergehenden Billete aufzuklären, weil der Leser vielleicht nicht wenig über die Unvorsichtigkeit der Dame Bellaston verwundert sein mag, daß sie ihren Liebhaber gerade in das Haus brachte, worin ihre Nebenbuhlerin wohnte.
Zuerst also: Die Eigentümerin des Hauses, in welchem die Verliebten bisher ihre Zusammenkünfte gehabt hatten, und die seit einigen Jahren einen Jahrgehalt von der Dame bezogen, war jetzt eine Pietistin geworden und war diesen Morgen zu Ihro Gnaden gekommen, und nachdem sie ihr einen derben Text über ihr vergangenes Leben gelesen, hatte sie rundaus erklärt, sie wolle um keinen Preis mehr zum Werkzeuge dienen, ihre Liebeshändel künftighin fortzusetzen.
Dieser Zufall hatte den Kopf der Dame außer aller Fassung gesetzt und in der ersten Betäubung verzweifelte sie an der Möglichkeit einen andern bequemen Ort zu finden, wo sie Herrn Jones den Abend noch sehen könnte; als sie sich aber ein wenig von der Unruhe über diesen Strich durch ihre Rechnung erholt hatte, setzte sie ihre Gedanken ans Werk; da es ihr denn zu allem Glück einfiel, Sophien den Vorschlag zu thun, sie möchte in die Komödie gehen, was alsobald angenommen, auch eine schickliche Dame zu ihrer Gesellschafterin ausgemacht wurde. Die Jungfer Honoria ward gleichfalls mit Jungfer Fahrwin auf eben die Lustfahrt geschickt und solchergestalt das Haus zur sichern Aufnahme des Herrn Jones gereinigt, mit dem sie sich eine zwei- oder
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