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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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süßherziger Bube. Ich kann Sie versichern, in meinem Leben war ich nicht so gerührt, als da ich den kleinen Hiob, der kaum sieben Jahr alt ist, seine Mutter bitten hörte, da sie ihn mit ihren Thränen benetzte, sie solle sich doch zufrieden geben. – – Gewißlich, Mama, sagte das Kind, ich werde nicht sterben; der liebe Gott ist ja allmächtig; ich weiß, er wird Tom noch nicht zu sich nehmen: es mag im Himmel wohl recht schön sein; aber ich will doch lieber hier bleiben und mit Ihnen und mit dem lieben Papa zuweilen hungern, als nach dem schönen Himmel gehn! – Verzeihen Sie mirs, meine Herren, aber ich kann mir nicht helfen,« sagte sie und wischte sich die Augen, »solcher Verstand und solche Liebe in einem Kinde! – – Und doch ist er vielleicht am wenigsten zu bedauern; denn in einem oder ein paar Tagen wird er höchst wahrscheinlicherweise dahin kommen, wo keine menschlichen Leiden und keine Thränen mehr sind. Der Vater verdient wirklich das Mitleiden am meisten. Der arme Mann! Sein Gesicht ist ein wahres Gemälde des tiefsten Grames, und er hat mehr das Ansehn eines Toten, als eines Lebendigen. Gütiger Gott, was das für ein Anblick war, als ich ins Zimmer trat! Der gute Mann lag hinter dem Kopfkissen, um beide, seine Frau und sein Kind zu unterstützen; er hatte nichts an, als ein dünnes Kamisol, weil sein Rock über das Bett gebreitet war, um den Mangel einer Bettdecke zu ersetzen. Als er aufstand, da ich hineintrat, konnte ich ihn kaum erkennen. Und vor vierzehn Tagen, Herr Jones, war er noch ein so wohlgestalteter Mann, als Sie nur einen gekannt haben; Herr Nachtigall hat ihn gesehen. Seine Augen waren eingesunken, sein Gesicht war bleich und sein Bart lang gewachsen; seine Glieder bebten vor Kälte, und sein Körper sah ausgemergelt aus, von Hunger; denn meine Kousine sagte, es würde ihr schwer, ihn dahin zu bringen, daß er einen Bissen äße. – Er selbst raunte mir leise zu, und sagte – ich kanns kaum wieder sagen; er sagte: er könne es nicht über sein Herz bringen, das Brot zu essen, dessen seine Kinder so nötig hätten. Und doch, können Sie es glauben, meine Herren? hat bei allem diesem Mangel seine Frau einen so guten Buttertrank, als die wohlhabendste Frau in ihren Wochen nur haben kann. Ich habe davon gekostet, und habe noch nicht viel bessern geschmeckt. – Die Mittel, ihr diesen zu verschaffen, wären ihm, wie er glaubte, durch einen Engel vom Himmel gesendet. Ich weiß nicht, [74] was er damit sagen wollte, denn ich war so niedergeschlagen, daß ich ihm nicht eine einzige Frage thun konnte.«
    »Dieß war eine Heirat aus Liebe, wie man es nennt, von beiden Seiten; das heißt, eine Heirat unter zwei Bettlern. Ich muß freilich gestehn, daß ich niemals ein zärtlicheres Ehepaar gesehen habe; aber wozu dient alle diese Zärtlichkeit, als sich einander Qualen zu machen?« – »In der That, Mama,« sagte Nettchen, »ich habe meine Base Anderson (denn so hieß ihr Name) beständig für eine der glücklichsten Frauen gehalten.« – »Ich bin versichert,« sagte die Mutter, »daß sich jetzt die Sache ganz anders verhält; denn das konnte jedermann sehen, daß die zärtlichen Besorgnisse, die sie einer für des andern Leiden empfinden, sowohl für Mann als Weib der unerträglichste Teil ihres Elendes sind. Hunger und Kälte, insofern solche nur ihre Personen betreffen, sind in Vergleichung mit jenen kaum noch Uebel zu nennen. Ja selbst die Kinder, das jüngste, welches noch keine zwei Jahr alt ist, ausgenommen, denken und fühlen auf eben die Weise; denn es ist eine sehr herzige Familie; und hätten sie nur ein notdürftiges Auskommen, so wären es die glücklichsten Menschen auf dieser Welt.« – »Ich habe niemals das geringste Zeichen von Dürftigkeit in ihrem Hause bemerkt,« versetzte Nette. »Ich bekenne es, mein Herz blutet über das, was Sie mir da sagen, Mama.« – »O Kind!« antwortete die Mutter, »Sie hat beständig gesucht, die beste Seite nach außen zu kehren. Die Not war bei ihnen immer groß; aber freilich, dies völlige Verderben ist ihnen von andern über den Hals gebracht worden. Der arme Mann hatte sich für die Schulden des Schurken, seines Bruders verbürgt; und ungefähr vor acht Tagen, grade den Tag vor ihrer Niederkunft, wurden ihnen alle ihre Habseligkeiten weggenommen und von Obrigkeitswegen verkauft. Er schickte mir einen Brief durch einen von den Gerichtsdienern; aber der Bösewicht hat mir ihn nicht gebracht. – Was muß er von mir gedacht

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