Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
Vom Netzwerk:
sich nach ihrem Hause und Jones nach seinem Zimmer.

Achtes Kapitel.
    Enthält einen Auftritt von Not und Jammer, welcher den meisten unsrer Leser sehr außerordentlich vorkommen wird.
     
    Nachdem sich Jones durch ein paar Stunden Schlaf erquickt hatte, ließ er Rebhuhn vor sich kommen, gab ihm eine Banknote von fünfzig Pfund Sterling und befahl ihm, solche in klingende Münze umzusetzen. Rebhuhn nahm solche mit funkelnden Augen, obgleich, als er hernach die Sache reiflicher überlegte, ein Argwohn bei ihm rege ward, der seinem Herrn eben zu keiner sonderlichen Ehre gereichte. Hierzu trugen die fürchterlichen Ideen bei, die er von einer Maskerade hatte, nebst der Verkleidung, in welcher sein Herr ausgegangen und wieder nach Hause gekommen, und daß er die ganze Nacht ausgeblieben war. Mit verständlichen Worten gesagt, die einzige Art und Weise, die er begreifen konnte, wie sein Herr zum Besitz dieser Note habe gelangen können, war Raub, und die Wahrheit zu gestehen, wird auch der Leser schwerlich andrer Einbildung sein, es wäre denn, daß er vermute, es sei ein Geschenk der großmütigen Bellaston gewesen.
    Um also die Ehre des Herrn Jones vom Verdacht zu retten, und der Freigebigkeit dieser Dame die billige Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, sagen wir, daß er wirklich dieses Geschenk von ihr [72] erhalten hatte. Denn, obgleich diese Dame eben nicht viel auf die abgedroschene Mildthätigkeit unsrer Zeiten hielt, wie zum Beispiele Waisen- und Krankenhäuser bauen und dergleichen – so war sie doch dieser christlichen Tugend nicht ganz bar, und des Dafürhaltens (und, wie ich meine, mit Recht), daß ein junger Mann von Verdiensten, der keinen Groschen im Vermögen hätte, kein unschicklicher Gegenstand dieser Tugend sei.
    Die Herren Jones und Nachtigall waren gebeten worden, diesen Mittag bei Madame Miller zu essen. Zur gewöhnlichen Stunde versammelten sich also die beiden Herren und die beiden Töchter im Eßzimmer, woselbst sie von drei Uhr bis fast um fünfe warteten, ehe die gute Frau zum Vorschein kam. Sie war außer der Stadt gewesen, eine Anverwandte zu besuchen, von der sie bei ihrer Nachhausekunft folgende Nachricht gab.
    »Ich hoffe, meine Herren, Sie werden es mir verzeihen, daß ich Sie habe müssen warten lassen! Ich weiß gewiß, wenn Ihnen die Veranlassung bekannt wäre – ich habe eine Kousine besucht, die ein paar Stunden Wegs von der Stadt wohnt, und eben in den Wochen liegt. – Es sollte allen Leuten eine Warnung sein (sagte sie und sah dabei ihre Töchter an), sich nicht aufs Geratewohl zu verheiraten. In dieser Welt ist keine Glückseligkeit ohne ein ordentliches Auskommen. O Nette, wie soll ich die elenden Umstände beschreiben, in welchen ich deine arme Base fand! Sie ist kaum seit acht Tagen in den Wochen, und da lag sie, bei diesem fürchterlich kalten Wetter, in einem ungeheizten Zimmer, in einem Bette ohne Vorhänge, und ohne einen Sack Kohlen im Hause, um ein Feuer zu unterhalten. Ihr zweiter Sohn, ein süßer, lieber Junge, liegt am Scharlachfieber in einem Bette mit seiner Mutter, denn sie haben kein ander Bett im Hause. Das arme kleine Tömchen! Ich fürchte, Nette, Du kriegst deinen Liebling nicht wieder zu sehen, denn er ist wirklich recht krank. Die übrigen Kinder sind so ganz gesund; aber Mariechen wird, sorge ich, ihrer Gesundheit zuviel zumuten. Sie ist erst dreizehn Jahre alt, und dennoch, Herr Nachtigall, ich versichre Sie, habe ich in meinem Leben noch keine bessere Krankenwärterin gesehen. Sie pflegt beide, ihre Mutter und ihren Bruder; und, was bei einem so jungen Geschöpfe sehr zu bewundern ist, sie zeigt ihrer Mutter immer ein heiteres Gesicht; und dennoch, Herr Nachtigall – dennoch sah ich das arme Kind heimlich das Gesicht wegkehren und sich verstohlnerweise die Thränen aus den Augen wischen.« Hier ward Mutter Miller durch ihre eigenen Thränen verhindert, weiter zu erzählen, und ich glaube, es war keiner unter allen Gegenwärtigen, der nicht ein gleiches that. Endlich faßte sie sich wieder ein wenig und erzählte folgendermaßen weiter: »In all diesem Jammer [73] zeigt die Mutter eine bewundernswürdige Standhaftigkeit. Die Gefahr ihres Sohnes liegt ihr am schwersten auf'm Herzen; und doch thut sie ihr möglichstes, auch diese Betrübnis ihren Mann nicht merken zu lassen. Zuweilen gewinnt gleichwohl ihr Kummer über all ihr Bestreben die Oberhand, denn sie hat diesen Knaben beständig außerordentlich lieb gehabt, und es ist auch ein kluger,

Weitere Kostenlose Bücher