Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
bringen, oder welches von ihm zu holen. Und je nachdem ihm eins oder das andere wahrscheinlicher vorkam, faßte er auch eine günstige oder ungünstige Meinung von der Person, die sich ihm nahte.
Zum Unglück für Jones hatte jetzt das Letzte das Uebergewicht, denn weil ihn den Tag vorher ein junger Herr besucht hatte, um ihm einen Wechsel über eine Spielschuld seines Sohnes zu präsentieren, so besorgte er gleich beim Anblick des Herrn Jones, er möchte mit einem solchen zweiten Papierchen angestochen kommen. Jones hatte ihm also kaum gesagt, daß er von seinem Sohne käme, als der in seinem Argwohn bestärkte alte Herr in eine Ausrufung aus brach: er gäbe sich unnütze Mühe! »Ist es denn möglich, mein Herr,« antwortete Jones, »daß Sie mein Anbringen erraten können?« – »Raten hin, raten her!« versetzte der Alte, »ich sag's noch einmal, der Herr gibt sich vergebliche Mühe! Was? Ich glaube, der Herr ist einer von den hübschen Zeisigen, die meinen Sohn zu dem Demmen und Schlemmen verführen, das ihn Fallit machen wird. Aber weder Wechsel noch Assignationen von ihm werd' ich mehr honorieren, das protestier' ich. Ich hoffe, er wird inskünftige alle solche Maskopeischaften aufkündigen, oder – wenn 'ch das nicht erwartete, wollt' ich keine Frau für ihn ausgesucht haben; denn ich mag nicht behilflich sein, jemand zu ruinieren.« – »Wie, mein Herr,« sagte Jones, »so hatten Sie diese Braut selbst für ihn ausgesucht?« – »Herr,« sagt der andre, »darf ich bitten zu wissen, was Sie die ganze Sache angeht?« – »O, mein teurer Herr Nachtigall,« erwiderte Jones, »nehmen Sie es nicht ungütig, daß ich vielen Teil an alle demjenigen nehme, was das Glück Ihres Sohnes betrifft, den ich so sehr ehre und wertschätze. Eben in dieser Angelegenheit bin ich hergekommen, Ihnen meine Aufwartung zu machen. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie sehr ich mich über die Nachricht freue, die ich da von Ihnen vernehme; denn ich versichre Sie, Ihr Sohn ist ein Mann, den ich außerordentlich hochschätze. – Ja, ich kann Ihnen auch schwerlich sagen, wie große Hochachtung ich für Sie selbst hege, das Sie so großmütig, so edel, so gütig, so nachsichtig sind, eine solche Verbindung für Ihren Sohn zu treffen, – ein Frauenzimmer, das ihn, ich darf es schwören, zum glücklichsten Mann auf dem Erdboden machen wird.«
Ich wüßte kaum noch etwas, das die Menschen so fügsam unserm Wohlwollen empföhle, als wenn wir bei ihrem ersten Anblick etwas von ihnen gefürchtet haben. Wenn diese Besorgnis anfängt zu verschwinden, so vergessen wir bald die Furcht, die sie veranlaßte, und die Beruhigung, die wir darauf empfinden, meinen wir dann gerade den Personen zu verdanken zu haben, welche uns zuerst die Furcht einflößten.
So ging's dem alten Nachtigall, welcher nicht so bald merkte, [121] daß Jones keine Forderung brächte, wie er besorgt hatte, als es ihm in seiner Gegenwart recht wohl ward. »Mein lieber Herr, ich bitte,« sagte er, »belieben Sie sich doch zu setzen! Ich erinnere mich nicht, daß ich schon das Vergnügen gehabt hätte, Sie zu sehen. Aber, wenn Sie ein Freund von meinem Sohn sind und mir etwas zu sagen haben, was das junge Frauenzimmer angeht, so werde ich Sie mit Vergnügen anhören. Was das anlangt, daß sie ihn glücklich machen wird, so wirds nur an ihm liegen, wenn sies nicht thut. Ich habe das meinige gethan und habe für die Hauptsache gesorgt. Sie bringt ihm so viel zu, als nötig ist, einen jeden vernünftigen, klugen und verständigen Mann glücklich zu machen.« – »Das hat keinen Zweifel,« rief Jones, »denn sie ist selbst ein großer Schatz; so schön, so artig, von so sanftem Gemüt und von so guter Erziehung; sie ist wirklich ein Frauenzimmer von vielen Talenten, singt vortrefflich und spielt das Klavier mit Fertigkeit und Geschmack.« – »Von alle dem habe ich kein Wort gewußt,« antwortete der alte Herr; »denn gesehen habe ich die Braut mit keinem Auge, aber sie gefällt mir wegen dessen, was Sie da sagen, nicht übel, und am Vater gefällt mir's sehr wohl, daß er kein groß Aufhebens beim Kontrakte von diesen Eigenschaften gemacht hat. Daraus sieht man doch, daß er ein recht verständiger Mann ist. Ein einfältiger Kerl wäre kapabel gewesen, alle diese Artikel zu Gelde zu rechnen und in der Mitgabe mit anzuschlagen. Nein, das muß ich ihm ehrlich nachsagen, erwähnt hat er nicht einmal all' der Dinge und sie gehören doch gewiß beim Frauenzimmer nicht unter Tara und
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