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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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hatte, als er sich ein kleines Landgut kaufte, wohin er zu wohnen zog, die Tochter eines unbemittelten Landgeistlichen, ein junges Frauenzimmer heiratete, die zwar weder schön noch reich war, seine Wahl aber durch eine außerordentlich lustige und fröhliche Gemütsart auf sich lenkte.
    [123] Mit dieser Gattin hatte er fünfundzwanzig Jahre hindurch ein Leben geführt, das mehr Aehnlichkeit mit jenen Zeiten hatte, welche gewisse Poeten für das goldne Alter ausgeben wollen, als mit dem unsrigen. Er hatte von ihr vier Kinder, wovon aber nur eins bis zu reifen Jahren gelangte, das er und seine Frau nach der gemeinen Redensart verzogen, das heißt mit der äußersten Liebe und Sorgfalt erzogen hatten; welche Liebe und Sorgfalt sie zu einem solchen Grade erwiderte, daß sie wirklich schon eine äußerst vorteilhafte Heirat mit einem Herrn von etwas über vierzig Jahr alt ausgeschlagen hatte, weil sie es nicht über ihr Herz bringen konnte, sich von ihren geliebten Eltern zu trennen.
    Das junge Frauenzimmer, welches Herr Nachtigall für seinen Sohn bestimmt hatte, war eine nahe Nachbarin von seinem Bruder, und eine Bekannte von seiner Nichte, und eigentlich war es die bevorstehende Heirat, welche den Bruder jetzt zur Stadt gebracht hatte; freilich gerade eben nicht, um solche zu befördern, sondern seinem Bruder einen Plan aus dem Sinne zu reden, der nach seiner Einsicht zum gänzlichen Verderben seines Neffen ausschlagen müßte. Denn andre Folgen sah er von der Verbindung der Mademoiselle Harris nicht, ungeachtet der ansehnlichen Größe ihres Vermögens, weil weder ihre Person noch ihre Gemütsbeschaffenheit nach seiner Meinung eben eine eheliche Glückseligkeit erwarten ließ; denn sie war sehr lang, sehr schmächtig, sehr häßlich, sehr geziert, sehr einfältig und sehr boshaft.
    Sein Bruder erwähnte also nicht so bald der Heirat seines Neffen mit Mademoiselle Miller, als er darüber eine herzliche Freude bezeigte, und nachdem der Vater seinen Sohn bitterlich heruntergerissen und das Urteil des Bettelngehens über ihn ausgesprochen hatte, ließ sich der Oheim folgendergestalt vernehmen:
    »Wenn du ein bißchen kälter wärst, Bruder, so würde ich dich fragen, ob du deinen Sohn seinetwegen oder deiner selbst wegen liebst. Du würdest mir vermutlich antworten und ich vermute, du meinst es: Seinetwegen! Und ohne Zweifel meinst du durch die Heirat, die du für ihn ausgemacht hast, sein Glück zu befördern.
    Nun aber, lieber Bruder, ist mir das Regeln geben für andrer Menschen Glückseligkeit noch immer als etwas sehr einfältiges vorgekommen, und das Bestehen auf diesen Regeln als sehr tyrannisch. Der Irrtum ist sehr gewöhnlich; aber bei alle dem bleibt's doch immer ein Irrtum, und wenn es bei andern Fällen einfältig ist, so ist es sogar völlig dumm beim heiraten, wobei die Glückseligkeit ganz allein von der gegenseitigen Neigung abhängt, welche die Verlobten gegeneinander tragen.
    Ich habe es deßwegen beständig für sehr unvernünftig von den Eltern gehalten, wenn sie bei dieser Sache anstatt der Kinder haben wählen wollen, weil es unmöglich ist, die Neigung der Menschen mit Gewalt zu zwingen; ja, die Liebe flieht dergestalt allen Zwang, daß sie nicht einmal weiß, ob sie nicht vermöge einer unglücklichen aber unheilbaren Verkehrtheit unsrer Natur sich sogar gegen die Ueberredung empört und auflehnt.«
    [124] »Und dabei ist freilich auch immer so viel wahr, daß, obgleich der Vater nicht wird vorschreiben wollen, wenn er klug ist, man ihn doch nach meiner Meinung bei dieser Gelegenheit auch fragen müsse und er nach aller Billigkeit wenigstens ein verneinendes Votum haben sollte. Ich gestehe also, daß mein Neffe, da er sich verheiratet hat, ohne dich um Rat zu fragen, einen Fehler begangen hat. Aber ganz ehrlich gesprochen, Bruder, bist du an diesem Fehler nicht selbst ein wenig schuld? Haben ihm nicht deine oft wiederholten Erklärungen über diesen Punkt die moralische Gewißheit gegeben, daß du nicht einwilligen werdest, wo es an Reichtum fehlte? Und sage nur, dein ganzer jetziger Aerger, woher kommt er? Ist's nicht bloß der Abgang des Vermögens, der dich in Harnisch jagt? Und, wenn er nun auch gegen den kindlichen Gehorsam gesündigt hätte, hast du denn nicht auch dein väterliches Ansehn viel zu hoch gespannt, da du ihn ohne sein Wissen an eine Frau ordentlicherweise verhandeltest, die du selbst nie gesehen hast? Und hättest du sie gesehn und so gut gekannt, wie ich sie kenne, so wäre es

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