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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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ich! Wo ist meine Tochter? Ich weiß, sie ist im Hause, und sehen will ich sie, wenn sie übern Grund ist! Zeigt mir, wo ist sie?« – Bei diesen Worten flog die Thüre auf, und herein stürzte Junker Western mit seinem Pfarrer und einem großen Troß von Gefolge auf seinen Fersen.
    Wie elend müssen die Umstände der armen Sophie gewesen sein, wenn die wütende Stimme ihres Vaters ihren Ohren willkommen war! Willkommen aber war sie in der That, und zum großen Glück kam er; denn es war der einzige Zufall auf Gottes Erdboden, welcher verhindern konnte, daß Sophien der Friede ihrer Seele nicht auf ewig geraubt wurde.
    Ungeachtet ihrer Angst erkannte Sophie augenblicklich die Stimme ihres Vaters, und Se. hochgräfl. Gnaden, ungeachtet Dero Leidenschaft, erkannten die Stimme der Vernunft, welche Dieselben aufs schleunigste versicherte, es wäre jetzt nicht die Zeit Hochdero Schandthat auszuführen. Sonach, als er die Stimme näherkommen, und gleichfalls hörte, wessen sie wäre, (denn sowie der Junker mehr als einmal das Wort Tochter brüllte, so hatte auch Sophie mitten unter ihrem Sträuben oft das Wort Vater gerufen), so hielt er für ratsam, seine Beute fahren zu lassen, nachdem er bloß ihr Halstuch ein wenig in Unordnung gebracht, und mit seinen unverschämten Lippen an ihrem liebreizenden Busen einige Gewaltthätigkeiten verübt hatte.
    Wenn mir die Einbildungskraft des Lesers nicht zu Hilfe kommt, so bin ich platterdings nicht im stande, die Fassung dieser zwei Personen zu beschreiben, als Western ins Zimmer trat. Sophie schwankte hin auf einen Stuhl, worauf sie saß, verstört, bleich, atemlos, kochend vor Zorn über den Graf Liebegrimm, dabei voller Angst und doch noch mehr voller Freuden über die Ankunft ihres Vaters. Se. Hochgräfl. Gnaden setzten sich nahe bei ihr nieder, den Haarbeutel [143] der Perücke über eine seiner Schultern hervorhängend, den Ueberrest seiner Kleidung ein wenig in Unordnung, und ein wenig mehr von der weißen Wäsche, als gewöhnlich, vor den Busen hervorgezaust; im übrigen erstaunt, erschrocken, verdrießlich und beschämt.
    Was den Junker Western betrifft, so hatte ihn eben um diese Zeit ein Feind erhascht, welcher die Landjunker dieses Reichs sehr oft verfolgt und sie nicht selten einzuholen pflegt. Buchstäblich gesagt: er war betrunken; welcher Umstand, zusammengenommen mit seiner natürlichen Heftigkeit, keine andere Wirkung hervorbringen konnte, als daß er spornstreichs auf seine Tochter zulief und bitterlich mit seiner Zunge über sie herfiel; ja, er würde vermutlich mit den Händen gewaltthätig zuwerk gegangen sein, hätte sich nicht der Pfarrer dazwischen gelegt, welcher sagte: »Ums Himmelswillen! gnädiger Herr, geruhen Sie zu bedenken, daß Sie in dem Hause einer vornehmen Dame sind. Lassen Sie sich erbitten, Ihren Eifer zu mäßigen! Es sollte Ihnen schon ein großes Maß von Beruhigung gewähren, daß Dieselben Ihre Tochter gefunden haben; denn die Rache, gnädiger Herr, ist nicht unser. Ich bemerke große Reue und Leid auf dem Gesichte des gnädigen Fräuleins. Ich bin der Gewißheit, daß, wofern Sie ihr Vergebung angedeihen lassen, solche alle ihre bisherigen Versündigungen gegen Sie bereuen und zu ihrer kindlichen Pflicht zurückkehren werden.«
    Die Stärke der Arme des Pfarrers hatten anfangs bessere Dienste geleistet, als die Stärke seiner Wohlredenheit. Unterdessen thaten seine letzten Worte einige Wirkung, und der Junker antwortete: »Na! ich will's ihr vergeben, wenn sie 'n hab'n will! Wenn 'n hab'n willst, Fike, so will' ich dir alles vergessen und vergeb'n. Na! w'rum sprichst' nicht? Sollst'n hab'n, straf' mir Gott! sollst'n haben. Was? antwortst' nicht? Was das für 'n halsstarrige Kröt' ist!«
    »Lassen Sie mein Bitten stattfinden, gnäd'ger Herr, sich ein wenig mehr zu mäßigen,« sagte Herr Pfarrer Schickelmann; »Sie erschrecken das gnäd'ge Fräulein so, daß Sie ihr das Vermögen der Sprache benehmen.«
    »Vermögen meines A – auch!« antwortete der Junker. »Woll'n Sie 'r beistehn also? woll'n S'e? E'n wacker'r Pfarrer, mein Seel, der 's mit 'n ungehorsam'n Kind' hält. Ja, ja! 'ne bess're Pfarre sollst' hab'n, wenn Nimmerstag kommt, eh'r will ich s'e dem höllsch'n Satan geb'n.«
    »Ich bitte ganz gehorsamst um Verzeihung,« sagte der Pfarrer, »das ist meine Meinung nicht gewesen! Ew. Gnaden untertänigst zu versichern.« Nunmehr kam Frau von Bellaston ins Zimmer, und nahte sich dem Junker, welcher sie nicht so bald erblickte, als

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