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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Sie angefangen! Sie wissen nicht, wen Sie beschimpft haben. Es ist einer der ersten Reichsgrafen, und ein äußerst reicher Herr, der gestern um Ihre Tochter geworben hat. Ein Mann, den Sie, nach meiner Ueberzeugung, mit dem äußersten Vergnügen annehmen müßten.«
    »Was schiert mich Ihr' Ueberzeugung, hochgnädige Kousine?« sagte der Junker. »Ich will mit Ihr'n großen Reichsgrafen nichts zu thun hab'n. Mein' Tochter soll 'n hübsch ehrbar'n Landedelmann hab'n. Ich hab' schon ein'n, für s'e aufgetrieb'n, und den soll s'e habn. Vor all' die Müh die Sie mit 'r gehabt hab'n, hochgnäd'ge Muhm', thut's m'r herzlich leid! herzlich leid!« Frau von Bellaston sagte ihm allerlei Höflichkeiten über das Wort Müh, auf welche der Junker antwortete: »Nu, das ist dankenswert! – und ich könnt' für 'R Gnaden eben das thun. Ganz recht, Verwandte sollten so was für'n ander thun, und damit gut' Nacht, 'R Gnaden. Komm du, Madam Fiekchen, sollst mit m'r gehn, und das in all'n Guten, oder 'ch laß dich bei Kopf und Füß'n in d'Kutsche schleppen.«
    Sophie sagte, sie wolle ihn ohne allen Zwang begleiten, bat aber, daß sie sich in einer Sänfte dürfte tragen lassen, weil sie das Fahren nicht würde aushalten können.
    »I, I, sieh doch!« schrie der Junker. »Willst m'r wohl weiß machen, daß du nicht in 'ner Kutsche fahren kannst, nicht so? Hübsch ausgedacht, recht hübsch! Ne, ne! ich laß dich nun nicht wieder aus 'n Gesicht', bis du mit 'n getraut bist, das kannst' nur glaub'n.« Sophie sagte, sie sähe wohl, er habe sich vorgesetzt, ihr das Herz zu brechen. »O alle Hagel mit Herzbrechen und kein Ende!« sagte er. »Laß's brechen, wenn's dir 'n guter Ehemann brechen kann. Ich scheere mich kein'n Groschen, kein'n Heller, um ein'n ungehorsam'n Balg auf Gott's Erdboden.« Er faßte sie drauf mit Gewalt bei dem Arm, worauf sich der Pfarrer abermals in's Mittel legte [146] und ihn bat, sanfte Mittel zu gebrauchen. Hiergegen donnerte der Junker los mit einem derben Fluche, und befahl dem Pfarrer das Maul zu halten, indem er sagte: »Denk' nicht, daß du in deiner hölzern Tonne stehst, wenn du da stehst, muß ich dir wohl schnaken lassen, was du willst; aber ich bin kein Pfaffenscharwenzel, daß du's nur weißt! und will mich von dir nicht präzeptern lassen, wie 'ch mich aufführen soll, von dir. Nochmals 'R Gnaden, gute Nacht. Komm mit Fiekchen, bis 'n fromm Kind, so soll all's gut sein! Sollst 'n hab'n, beim Satan, sollst 'n hab'n!«
    Jungfer Honoria kam unten an der Treppe zum Vorschein, und war nach einem sehr tiefen Knicks gegen den Junker auf dem Wege, ihr Fräulein zu begleiten; er stieß sie aber auf die Seite und sagte: »Halt, halt, Madam, halt! laßt Euch nicht wieder in mein'n Hause blicken.« – »Sie wollen mir doch nicht meine Aufwärterin nehmen, Papa?« sagte Sophie. – »Doch, doch, Püppchen, das will ich,« rief der Junker. – »Brauchst nicht zu fürchten, daß du keine Aufwartung haben sollst! 'ch will dir 'ne andre Putzjungfer verschaffen, und 'ne bess're Jungfer als die; denn ich will wohl zehn Thaler gegen 'n Groschen setzen, daß die ebensowenig ein' Jungfer ist, als meine Großmutter. Ne, ne! Feikchen, die soll dich nicht mehr bei Nacht und Nebel aus 'm Hause helfen, das kannst' mir glaub'n!« Hierauf packte er seine Tochter und den Pfarrer in die Mietkutsche, stieg darauf selbst hinein und befahl, ihn nach seiner Herberge zu fahren. Auf dem Wege dahin ließ er Sophie in Ruh und vertrieb sich damit die Zeit, dem Pfarrer ein Kollegium über die gute Lebensart zu lesen, und wie man sich gegen Vornehme mit Schicklichkeit zu betragen habe.
    Es ist wohl möglich, daß er seine Tochter nicht so leicht aus dem Hause der Frau von Bellaston weggebracht haben möchte, wenn diese gute Dame Lust gehabt hätte, sie länger bei sich zu behalten. Sie war aber in Wahrheit nicht wenig vergnügt über die Art von Gefängnis, nach welchem Sophie gebracht wurde, und da ihr Plan mit dem Grafen Liebegrimm mißlungen war, so gereichte es ihr zum großen Vergnügen, daß andre gewaltthätige Mittel zu gunsten eines andern Mannes angewendet werden würden.

Sechstes Kapitel.
    Auf was Weise der Junker dazu kam, den Aufenthalt seiner Tochter zu entdecken.
     
    Obgleich in manchen Geschichten der Leser viel unerklärbarere Erscheinungen verdauen muß, als die Erscheinung des Junkers Western, ohne darüber einige Genüge zu erhalten, so wollen doch wir, die wir ihm außerordentlich gerne Gefälligkeiten erzeigen

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