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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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– »O, teuerste Frau von Bellaston,« rief er, »persiflieren Sie mich nicht so entsetzlich.« – »Wie, mein guter Graf, meinen Sie wohl, daß sich ein Weib in der Christenheit finden würde, die nicht im Herzen über Sie lachte, was für Züchte sie auch in ihren Mienen zeigte? – Sie zwingen mich, eine sonderbare Art von Sprache zu führen und Ihnen mein Geschlecht ganz scheußlich zu verraten; aber ich beruhige mich damit, daß meine Absichten gut sind, und daß ich gerne meiner Kousine einen Dienst leisten möchte; denn ich denke, Sie werden dessenungeachtet ein wackrer Ehemann für sie sein; denn sonst, bei meiner Seele! nicht ein Wort würde ich verlieren, sie zu bereden, sich gegen leeren Stand und Titel wegzuwerfen. Sie sollte mir hernach nicht vorwerfen, daß ich sie um einen wackern, mutvollen Mann gebracht hätte; denn daß er das sei, das gestehen dem jungen Kerl seine Feinde zu.«
    Laß diejenigen, welche die Freude erlebt haben, dergleichen Sticheleien von einer Ehefrau oder Mätresse zu hören, bezeugen, ob sie dadurch im geringsten lieblicher zu verdauen waren, daß sie von einer weiblichen Zunge kamen. Gewiß ist es, daß sie beim Grafen tiefer eindrangen, als irgend etwas, das Demosthenes oder Cicero über die Sache hätten sagen können.
    Frau von Bellaston merkte, daß des Grafen Stolz in Feuer gesetzt wäre, und fing nun, gleich einem wahren Redner, an, andre Leidenschaften zu ihrem Beistande aufzuschüren. »Belieben Sie nicht zu vergessen, Herr Graf,« sagte sie, »daß Sie der erste waren, der der Sache gegen mich erwähnte; denn ich möchte nicht gerne das [140] Ansehen einer Person haben, der es darum zu thun sei, Ihnen meine Kousine aufzuhängen. Drei- bis viermal hunderttausend Thaler bedürfen eben keines Advokaten, um sie zu empfehlen.« – »So wenig, als Fräulein von Western,« sagte der Graf, »einer Empfehlung von ihrem Vermögen bedarf, denn in meinen Gedanken hat noch kein Frauenzimmer die Hälfte ihrer Reize besessen.« – »Doch, doch! Herr Graf,« erwiderte die Dame, und sah in einen Spiegel, »es hat Frauenzimmer gegeben die mehr als die Hälfte ihrer Reize besaßen, ich versichre Sie. Nicht daß ich sie dadurch eben in diesem Punkte herabsetzen wollte; sie ist ein wonneversprechendes Mädchen, das ist ausgemacht, und wird sich innerhalb ein paar Stunden in den Armen eines Mannes befinden, der sie freilich nicht verdient, ob ich ihm gleich, der Wahrheit gemäß, nachsagen muß, daß ich ihn wirklich für einen Mann von Kourage halte.«
    »Das hoffe ich, gnädige Frau,« sagte der Graf, »ob ich gleich gestehen muß, daß er sie nicht verdient; denn wenn nicht der Himmel, oder Ihro Gnaden mich hindern, so soll sie binnen der Zeit die meinige sein.«
    »Wohl gesprochen, Herr Graf,« antwortete die Dame. »Von meiner Seite sollen Sie nicht gehindert werden, darauf verlassen Sie sich; und noch ehe die Woche zu Ende geht, weiß ich, daß ich Sie öffentlich Kousin werde nennen können.«
    Das übrige dieses Auftritts bestand durchgängig in Entzückungen, Entschuldigungen und Komplimenten, sehr lieblich zu hören aus dem Munde der Parteien selbst; zu schal aber in der Erzählung durch die zweite oder dritte Hand. Wir wollen also hier dem Gespräche ein Ende machen und der entscheidenden Stunde entgegeneilen, auf welche also alles zum Verderben der armen Sophie veranstaltet war.
    Da dies aber der tragischste Stoff in unsrer ganzen Geschichte ist, so wollen wir ihn in einem eignen Kapitel besonders behandeln.

Fünftes Kapitel.
    Enthält einige Dinge, welche den Leser rühren, und andere, die ihn überraschen werden.
     
    Die Glocke hatte nunmehr sieben geschlagen, und die arme Sophie saß einsam und melancholisch, und las in einem Trauerspiele. Es war die Unglückliche Heirat, und sie war bis an den Auftritt gekommen, wo die bedrängte Isabella ihren Trauring weggibt.
    Bei dieser Stelle entfiel ihr das Buch aus den Händen, und ein Thränenstrom rann in ihren Busen hinab. Sie hatte sich eine Minute in dieser Stellung befunden, als die Thüre aufging und Graf Liebegrimm hereintrat. Sophie sprang bei seiner Erscheinung vom Stuhle, und Seine hochgräfliche Gnaden traten weiter vor und machten eine tiefe Verbeugung, wobei Sie zu sagen geruhten: »Ich fürchte, mein gnädiges Fräulein von Western, daß ich ebenso ungelegen, als unangemeldet komme.« – »In der That, Herr Graf!« [141] sagte sie, »ich muß bekennen, daß mich dieser unerwartete Besuch ein wenig überrascht.«

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