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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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führen und leiten lassen wollen, so ist es möglich, daß Sie es behalten.«
    Sobald der Junker den Brief durchgelesen hatte, sprang er auf von seinem Stuhle, warf seine Pfeife ins Feuer und schrie vor Freuden ein lautes Juchhe! Darauf schellte er die Bedienten zusammen, ließ sich seine Stiefel bringen, befahl den Chevalier und einige andere Pferde zu satteln, und sogleich den Pfarrer Schickelmann zu holen. Nachdem er alles dies gethan, ging er auf seine Schwester zu, faßte sie in seine Arme und gab ihr einen derben Schmatz, wobei er sagte: »Hagel! D' siehst ja nicht freundlich aus! Einer sollt' mein'n, es thät' Dir leid, daß ich's Mädchen gefund'n habe.«
    »Mon Frère,«
antwortete sie, »die tiefsten Politiker, welche auf den Grund der Sachen sehen, entdecken oft einen ganz verschiedenen Aspekt der Affairen, als derjenige ist, welcher auf der Oberfläche schwimmt. Es ist freilich wohl wahr, die Sachen sehen weit weniger gefährlich aus, als sie ehmals in Holland aussahen, als Ludwig der Vierzehnte mit seiner Armee vor den Thoren von Amsterdam stand. Aber es ist bei dieser Sache eine solche Delikatesse erforderlich, von der ich,
mon Frère
wird mir's verzeihen, fürchte, daß sie Ihnen ermangelt. Bei einer Dame von hoher Figur, wie unsre Kousine von Bellaston, muß man ein gewisses Dekorum beobachten,
mon Frère,
wozu eine größere Weltkenntnis nötig ist, als Sie, wie ich fürchte, besitzen.«
    »Ma Soeur,«
schrie der Junker, »'ch weiß, du hast eine winz'ge Meinung von meinem Verstand! Aber bei dieser Kehr will 'ch 'nmal zeigen, wer d'r Narr ist. Kenntnis! seht doch! Ich habe nicht so lang im Lande gelebt ohne Kenntnis von Haftsbefehlen und 'n [149] Landsgesetzen! Ich weiß, ich kann das Mein'ge allenthalb'n nehm'n, wo ich's finde. Zeig' mir nur mein' Tochter, wo s' ist, und wenn 'ch denn nicht weiß, wie ich s'e kriegen soll, so geb' ich dir Urlaub, mich 'n Dummbart zu nenn'n, so lang' ich lebe. 'S gibt ebensogut Friedensrichter in London, als in andern Orten.«
    »Ma foi,«
schrie die Schwester, »Sie machen, daß ich vor dem Ausgang dieser Sache zittre, die Sie, wenn Sie nach meinem Rat verfahren, zu einem glücklichen Ende bringen können. Meinen Sie denn wirklich,
mon Frère,
daß man in das Haus einer Dame von Stande und Ansehen mit Verhaftsbefehlen und brutalen Friedensrichtern einfallen kann? Ich will Sie unterrichten, wie Sie prozedieren müssen: Sobald Sie in der Stadt angelangt sind und dezente Kleider angeschafft haben (denn in der That,
mon Frère,
jetzt haben Sie keine, in welchen Sie erscheinen könnten,) so müssen Sie der Frau von Bellaston Ihre Empfehlung sagen und um die Erlaubniß bitten lassen, Ihre ergebenste Aufwartung machen zu dürfen. Wenn Sie dann in ihre Gegenwart vorgelassen werden, wie gewiß geschehen wird, und ihr Ihre Geschichte erzählt haben und den gehörigen Gebrauch von meinem Namen gemacht haben (denn ich glaube, Ihr kennet Euch beide kaum von Ansehen, ob Ihr gleich Blutsfreunde seid,) so glaube ich zuversichtlich, wird sie meiner Niece ihre Protektion entziehen, die ihr gewiß etwas falsches vorgespiegelt hat. Dies ist die einzige Methode. – Friedensrichter! man sehe doch! warum nicht gar Freizettel! Bilden Sie sich ein, daß man in einer zivilisierten Nation ein solches Verfahren gegen eine Dame von Stande und Ansehen unternehmen könne?«
    »Hol der Beelzebub ihr Ansehn!« schrie der Junker. »Eine saubre zivilisierte Nation, wahrlich, wo die Weiber über die Gesetze weg sind! Und w'rum soll ich da stehn und passen und e'n'n Schlör von Komplimenten schicken an 'ne verdammte Hure, die ihr'n eigentlich'n natürlich'n Vater sein' Tochter vorenthält. Ich sag' dir,
ma Soeur,
ich bin nicht so unwissend, als du meinst. – Weiß wohl, du möcht'st gern behaupten, daß d' Weiber über d' Gesetze weg wären; aber 's ist 'ne reine Lügen. Ich hab's vom Oberrichter beim Landgericht selbst gehört, daß kein Mensch in der Welt ist, der nicht unter'n Gesetzen steht. Aber das muß wohl so was von euren ausländischen Gesetzen sein, glaub' ich, die mit der neuen Regierung eingeschwärzt sind.«
    »Herr von Western, ich glaube,« sagte sie, »Sie nehmen von Tag zu Tag an Unwissenheit zu. – In Wahrheit, Sie sind ein völliger Bär geworden.«
    »Ebensowenig 'n Bär, als du selbst, Schwester Western,« sagte der Junker. »Der Blix! da sprecht 'r 'n langes und breites von Eur'r Höflichkeit und wenns zum Klappen kömmt, mein Seel! da habt Ihr selbst vor kein'n Dreier. Ich

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