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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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mit ihrer Freiheit zugleich den Gebrauch von Feder, Tinte und Papier erhalten hatte, so schrieb sie noch gleich an demselben Abend, da sie aus ihrer Gefangenschaft erlöst worden war:
     
    »Lieber Herr Jones!
     
    Da ich an der Aufrichtigkeit desjenigen nicht zweifle, was
Sie
mir schreiben, so wird es Ihnen ein Vergnügen machen zu vernehmen, daß einige von meinen Leiden durch die Ankunft meiner Tante Western ein Ende genommen haben. Ich bin gegenwärtig bei ihr und genieße bei ihr alle der Freiheiten, die ich nur verlangen kann. Auf
ein
Versprechen von mir hat meine Tante gedrungen, dieses ist: daß ich, ohne ihr Wissen und Einwilligung, niemand sehen und mit niemand sprechen wolle. Dieses Versprechen habe ich feierlich gegeben, und werde es ganz unverbrüchlich halten. Und ob sie mir gleich nicht ausdrücklich verboten hat zu schreiben, so kann das doch nur daher kommen, daß sie es vergessen hat, oder es ist auch schon zugleich unter dem Worte
sprechen
mit begriffen. Da ich unterdessen dies nicht anders, denn als einen Mißbrauch ihres großmütigen Vertrauens in meine Redlichkeit betrachten kann, so können Sie nicht erwarten, daß ich nach diesem weder selbst schreiben, noch Briefe annehmen werde, ohne daß sie darum wisse. Ein Versprechen ist bei mir eine heilige Sache, und ich dehne es auf alles aus, sowohl was darunter verstanden werden kann, als was es mit ausdrücklichen Worten enthält; und diese meine Art zu denken kann Ihnen vielleicht, wenn Sie es wohl überlegen, zu einiger Beruhigung gereichen. Aber warum sage ich Ihnen etwas von Beruhigung dieser Art? Denn, obgleich es eine Sache in der Welt gibt, in welcher ich dem besten der Väter niemals willfahren kann, so bin ich doch fest entschlossen, niemals gegen sein ausdrückliches Verbot zu handeln, oder einen wichtigen Schritt zu thun, ohne vorher dazu seine Einwilligung zu haben. Eine feste Ueberzeugung hiervon muß Sie lehren, Ihre Gedanken nicht ferner an etwas zu heften, was das Schicksal (vielleicht) zur völligen Unmöglichkeit gemacht hat. Hiervon muß Ihr eigener Vorteil Sie überzeugen. Dies mag Sie, und ich hoffe es, mit Herrn Alwerth wieder aussöhnen, und wenn es das kann, so lassen Sie mich es Ihnen auferlegen, darnach zu streben. Zufälle haben mich unter Verbindlichkeiten gesetzt, wahrscheinlicherweise noch mehr Ihre guten Absichten. Das Glück kann uns vielleicht beiden noch einmal günstiger werden, als es jetzt ist! Glauben Sie mir dieses, daß ich beständig so von Ihnen denken werde, wie Sie es nach meiner Meinung verdienen. Ich bin
    Ihre ergebenst verbundene
    Sophie Western.«
     
    N.S.
     
    »Ich bitte Sie ernstlich, mir nicht weiter zu schreiben. – Fürs erste wenigstens nicht! Und nehmen Sie dieses hiermit an, welches [191] mir jetzt unbrauchbar ist, und wovon ich weiß, daß es Ihnen dran fehlen muß. Denken Sie, Sie haben diese Kleinigkeit bloß dem Glücke zuzuschreiben, welches Sie dieselbe finden ließ 1 .« –
     
    Ein Kind, das nur eben seine Buchstaben kennen gelernt hat, würde diesen ganzen Brief in kürzerer Zeit durchbuchstabiert haben, als Jones anwendete, ihn zu lesen. Die Empfindungen, welche er veranlaßte, waren ein Gemisch von Freud' und Gram, etwas ähnliches von dem, was in der Seele eines guten Mannes um die Oberhand kämpft, wenn er das Testament seines verstorbnen Freundes liest, in welchem ihm eine beträchtliche Summe, die ihm seine bedrückten Umstände noch willkommner machen, hinterlassen wurde. Im ganzen genommen war er gleichwohl darüber mehr vergnügt als mißvergnügt, und in der That wird sich der Leser nach aller Wahrscheinlichkeit wundern, wie er nur im geringsten habe mißvergnügt sein können. Doch der Leser ist nicht völlig so verliebt, wie der arme Jones es war, und Liebe ist eine Krankheit, die freilich in manchen Stücken der Schwindsucht gleicht (die sie oft erzeugt), in andern aber sich auf eine ganz entgegengesetzte Art äußert und vorzüglich darin, daß der Patient jedes Symptom im fürchterlichsten Lichte betrachtet.
    Ueber eins fühlte er ein unvermischtes Vergnügen, und das war, daß seine Geliebte wieder in Freiheit und jetzt bei einem Frauenzimmer war, wo sie wenigstens einer anständigen Begegnung versichert sein konnte. Ein andrer beruhigender Umstand bestand darin, daß sie sich auf ihr Versprechen bezog, niemals einen andern Mann zu heiraten. Denn für so uneigennützig er selbst seine Liebe halten mochte und ungeachtet aller in seinem Briefe gethanen großmütigen

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