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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Aeußerungen zweifle ich doch sehr, ob man ihm eine schrecklichere Nachricht hätte bringen können als die, Sophie sei an einen andern verheiratet; die Partie möchte übrigens noch so groß und es noch so wahrscheinlich gewesen sein, daß sie zu ihrem größesten Glücke ausschlagen würde. Der gereinigte Grad von platonischer Liebe, wobei die Sinnlichkeit gar nichts zu thun hat und welcher wirklich durch und durch geistig ist, scheint mir eine bloß auf die schönere Hälfte der Schöpfung eingeschränkte Gabe zu sein; von diesen habe ich viele beteuern gehört (und zweifelsohne mit großer Wahrheit), daß sie mit der größesten Bereitwilligkeit ihren Geliebten einer Nebenbuhlerin überlassen würden, wenn es bewiesen würde, daß eine solche Entäußerung für das zeitliche Wohl eines solchen Geliebten notwendig wäre. Hieraus schließe ich also, daß eine solche Liebe in der Natur sein müsse, ob ich gleich damit keineswegs sagen will, daß ich davon jemals ein Beispiel gesehn hätte.
    Nachdem Herr Jones drei Stunden damit zugebracht hatte, vorbesagten Brief zu lesen und zu küssen und es endlich durch die letzterwähnte Betrachtung dahin gebracht hatte, daß ihm recht gut zu Mute war, ließ er sich's gefallen, eine Verabredung, die er längst getroffen hatte, ins Werk zu setzen, welche darin bestand, Madame [192] Miller und ihre jüngste Tochter in die Komödie zu führen und Rebhuhn in Gesellschaft mitzunehmen. Denn weil Jones wirklich den Geschmack an sonderbarer Laune hatte, den manche zu haben vorgeben, so versprach er sich großen Spaß an Rebhuhns kritischen Bemerkungen, an denen er die reinen Eindrücke der Natur wahrzunehmen erwartete, unverfeinert freilich, aber auch gleichfalls unverkritzelt durch die Kunst.
    Madame Miller, ihre jüngste Tochter, Herr Jones und Rebhuhn nahmen also in der ersten Reihe auf der ersten Galerie ihre Plätze. Rebhuhn erklärte alsobald: es wäre der schönste Platz, den er in seinem Leben gesehen hätte. Als man die Sinfonie spielte, sagte er: Es wäre doch zu verwundern, daß so viele Geiger zugleich auf einmal spielen könnten, ohne sich aus dem Takte zu bringen. Als der Kerl die Kronleuchter anzündete, sagte er zu Madame Miller: »Sehn Sie, sehn Sie, Madame! das leibhafte Bild von dem Mann, der hinten im Gebetbuche steht, da wo die Gebete angehen, die am Gedächtnistage der Pulververschwörung vorgelesen werden. Sehn Sie! just als wenn er's Pulver anzünden will.« Er konnte sich auch nicht enthalten, als alle Lichter angezündet waren, mit einem Seufzer zu sagen, daß hier an einem Abend so viel Lichter verbrannt würden, als womit eine ehrliche arme Haushaltung ein ganzes Jahr auskommen könnte.
    Sobald das Stück anfing (es war Hamlet Prinz von Dänemark), war Rebhuhn ganz aufmerksam und brach das Stillschweigen nicht eher, als bis der Geist auftrat, da er dann Herrn Jones fragte: was das für ein Mann wäre in der seltsamen Tracht da? »So was ähnliches hab' ich wohl in einer Schilderei gesehn; 's ist doch wohl nicht ein Panzer und Helm? Ist's?« – Jones antwortete: »Das ist der Geist.« – Worauf Rebhuhn mit einem Lächeln erwiderte: »Ja, so was laß ich mir auch weiß machen! Ob ich zwar nicht sagen kann, daß ich, so lang' ich lebe, einen Geist gesehn hätte, so weiß ich doch gewiß, daß ich einen kennen würde, wenn ich ihn sähe, und der müßte ganz anders aussehn. Nein, nein, mein lieber Herr! Geister gehen nicht umher in solcher Tracht! So viel weiß ich wohl!« In diesem Irrtum, welcher in der Nachbarschaft um Rebhuhn herum viel Gelächter verursachte, ließ man ihn ferner beharren bis zu dem Auftritt zwischen dem Geist und Hamlet, wo Rebhuhn Herrn Garrick den Glauben einräumte, den er Herrn Jones versagt hatte, und in ein solch heftiges Zittern verfiel, daß seine Kniee gegen einander schlotterten. Jones fragte ihn, was ihm fehle, und ob er sich vor dem Kriegsmann da auf dem Theater fürchtete. – »Ach, ach, lieber Herr!« sagte er, »ich seh' nun, daß es wahr ist, was Sie mir sagten. Ich fürchte mich vor gar nichts, denn ich weiß ja, daß es nur ein Spiel ist; und wenn's auch wirklich ein Geist wäre, so kann's einem doch kein leids thun, in solcher Entfernung und in so großer Gesellschaft; und wenn mir nun auch ein bißchen bange wäre, so wär' ich doch auch nicht der einzige!« – »Wie so?« sagte Jones. »Von wem glaubt Er noch, daß er so eine feige Memme wäre, wie Er?« – »Nu ja! Nennen Sie [193] mich immerhin eine feige Memme,

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