Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
wurden von den beiden Weidmännern in einem Tangelbusche, ungefähr dreihundert Schritte aus dem Revier des Herrn Alwerth, gemarkt.
Herr Alwerth hatte dem Wildmeister strenge Befehle gegeben, bei Verlust seines Dienstes die Wildfuhr seiner Nachbarn zu vermeiden; selbst sogar derjenigen, welche in diesem Punkt nicht so heikel waren als der Herr des ebengedachten Gutes. In Ansehung der übrigen waren nun freilich die Befehle nicht immer sehr gewissenhaft befolgt worden; da aber die Gesinnungen des Junkers, bei welchem die Feldhühner sich in Schutz begeben hatten, ganz ruchbar waren, so hatte es der Wildmeister noch nicht gewagt, ihm ins Gehege zu gehen. Auch hätte er's jetzt noch nicht gethan, hätte ihn nicht der jüngere Geselle, welcher außerordentlich hitzig war, das Flügelwild zu verfolgen, ihn dazu überredet; bei Jones' Andringen aber gab er, da er schon selbst schießlustig genug war, diesen Bitten nach, setzte über das Mal und schoß eins von den Hühnern.
Dieser Grenznachbar war eben zu Pferde in einer geringen Entfernung von ihnen, und als er den Schuß fallen hörte, ritt er augenblicks nach der Stelle zu und entdeckte den armen Jones, denn der Wildmeister war in ein Dickicht des Tangelbusches gesprungen, woselbst er sich glücklich verborgen hielt.
Nachdem der Junker den Burschen durchsucht und das Feldhuhn bei ihm gefunden hatte, gelobte er ihm bittere Rache und schwur: er wolle es Herrn Allwerth anzeigen. Er hielt redlich Wort, denn er ritt von der Stelle nach seinem Hause und beklagte sich [94] über den Einfall in sein Gehege mit ebenso kräftigen Worten und bittern Redensarten, als ob man Einbruch in sein Haus gethan und das köstlichste Gerät daraus gestohlen hätte. Er fügte hinzu, daß noch ein anderer Bursche dabei gewesen, ob er ihn gleich nicht hätte entdecken können, weil zwei Gewehre fast in einem Augenblick wären abgeschossen worden, »und«, sagt' er, »ich habe wohl nur dies eine Stück gefunden, aber Gott weiß, welchen großen Schaden sie mir angerichtet haben.«
Bei seiner Heimkunft ward Tom augenblicklich vor Herrn Alwerth zu erscheinen beordert. Er gestand die That ein, und führte nichts zur Entschuldigung an, als was wirklich wahr war, nämlich, daß das Volk in der eigenen Markung des Herrn Alwerth aufgestiegen wäre. Hierauf ward Tom befragt, wen er bei sich gehabt hätte? Und Herr Alwerth erklärte ihm, daß er das ein für allemal wissen wolle; dabei er ihm den Umstand mit den beiden Flinten vorhielt, welchen der Junker und seine beiden Bedienten in der Klage urgiert hatten; allein Tom beharrte standhaft dabei, er sei allein gewesen, doch stockte er die Wahrheit zu sagen anfangs ein wenig, welches dann Herrn Alwerths Glauben bestärkt haben würde, wofern das, was der benachbarte Junker und seine beiden Bedienten denunziert hatten, einer weiteren Bekräftigung bedurft hätte.
Der Wildmeister ward, als sonst bereits anrüchig, herbeigeholt und ihm die Frage vorgelegt; er aber, der sich auf das Versprechen, was ihm Tom gethan hatte, verließ, verneinte ganz kecker Weise, daß er in der Gesellschaft des jungen Herrn gegangen wäre, oder ihn nur den ganzen Nachmittag mit Augen gesehen hätte.
Hierauf wandte sich Herr Alwerth an Tom mit mehr als gewöhnlichem Verdruß im Gesicht, und riet ihm zu bekennen, wer mit ihm gewesen wäre, mit nochmaliger Wiederholung, er bestehe darauf, es zu wissen! Der junge Mensch blieb indes fest auf seiner Entschließung, und ward von Herrn Alwerth in großem Zorn entlassen, der ihm sagte: bis zum nächsten Morgen habe er noch Bedenkzeit, dann solle er von einer andern Person und auf eine andere Art verhört werden.
Der arme Knabe hatte eine sehr melancholische Nacht! Um so mehr, da er seinen gewöhnlichen Kameraden vermißte; denn der junge Herr Blifil war mit seiner Mutter auf einen Besuch gegangen. Furcht vor der Strafe, die ihm bevorstand, war bei dieser Gelegenheit sein geringster Kummer. Seine größeste Angst war, es möchte ihn seine Standhaftigkeit verlassen und er dahin gebracht werden, den Wildmeister zu verraten, wodurch dieser, wie er wußte, völlig unglücklich werden müßte.
Der Wildmeister brachte seine Zeit ebenfalls nicht viel ruhiger [95] hin. Er hatte mit dem Jüngling einerlei Besorgnis, für dessen Ehre er gleichfalls mehr Zärtlichkeit empfand, als für dessen Haut.
Als Tom des folgenden Morgens Sr. Ehrwürden, Herrn Schwöger (der Mann, dem Herr Alwerth den Unterricht der beiden Jünglinge anvertrauet hatte)
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