Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
alle, wie er sagte, solche üble Folgen nach sich gezogen hätten, daß es unverzeihlich für ihn sein würde, wenn er sich dadurch nicht warnen ließe, inskünftige nicht weiter auf solchen bösen Wegen zu wandeln. Endlich und zuletzt schloß er damit, sie seines festen Vorsatzes zu versichern, hinfort nicht mehr zu sündigen, auf daß ihm nicht noch etwas Aergeres widerfahre.
Madame Waters machte sich sehr über alles lustig, als über die Wirkung seiner Niedergeschlagenheit und seiner Gefangenschaft. Sie sagte ihm einige witzige Weidsprüche, vom Teufel, der auf dem Krankenbette lag, und dergleichen, und sagte ihm darauf, sie zweifle nicht, sie werde ihn in kurzem in Freiheit und ebenso lebhaft und munter wiedersehn, als jemals. »Und alsdann,« sagte sie, »wird Ihr Gewissen sich von der Bürde aller dieser Popanze entledigt haben, die es jetzt mit so vielen Wehen ausbrütete.« Sie sagte noch mancherlei von eben dem Schlage, wovon ihr einiges bei dem Leser keine große Ehre machen würde, wenn wir' s hier erzählten; auch sind wir nicht so völlig sicher, ob nicht einige andre die Antworten, welche Jones drauf erteilte, für lästerlich halten würden. Wir wollen also das Uebrige dieser Unterredung unterdrücken und nur soviel bemerken, daß Sie sich mit vollkommner Unschuld endigte, und zwar zu größerer Zufriedenheit des Herrn Jones, als der Dame, denn der erste war gar höchlich erfreut über die Nachricht, die sie ihm gebracht hatte; die Letztere war aber nicht völlig so erbaut von dem reumütigen Betragen eines jungen Mannes, von dem sie bei ihrer ersten Bekanntschaft eine ganz andre Meinung gefaßt hatte, als sie nunmehr von ihm hegen mußte.
Solchergestalt war die Melancholie, welche die Nachricht des Herrn Nachtigall erzeugt hatte, so ziemlich vertrieben. Aber der Mißmut, worein Madame Miller ihn geworfen hatte, dauerte noch fort. Der Bericht, den sie abstattete, traf so richtig mit Sophiens eignen Worten in ihrem Briefe überein, daß er im geringsten nicht zweifelte, sie habe seinen Brief ihrer Tante gezeigt und den festen Entschluß gefaßt, ihn zu verlassen. Die Größe der Pein, welche ihm dieser Gedanke verursachte, konnte nur mit der [248] über eine andre Hiobspost verglichen werden, welche ihm das Glück noch aufgespart hatte und welche wir im zweiten Kapitel des folgenden Buches mitteilen wollen.
Achtzehntes Buch.
Enthält ungefähr sechs Tage.
Erstes Kapitel.
Dem Leser zur Letze.
Lieber Leser, nunmehr sind wir auf der letzten Station unsrer langen Reise angelangt. Da wir also so manche Blätter miteinander durchreiset haben, so laß uns es miteinander machen, wie die Reisegesellschafter in einer öffentlichen Landkutsche, die verschiedne Tage miteinander in Gesellschaft hingebracht haben, und welche, ungeachtet aller kleinen Hickhackereien oder kleinen Piken, welche auf dem Wege vorgefallen sein mögen, gewöhnlich am Ende alles gut sein lassen und zum letztenmal freundlich und munter wieder einsitzen, weil es, wenn wir noch diese eine Station zurückgelegt haben, mit uns ebenso gehen kann, wie mit jenen, daß wir uns einander nie wiedersehn.
Da ich einmal hier dieses Gleichnis angeführt habe, so erlaube man mir, daß ich es noch ein wenig weiter ausdehnen dürfe. Ich bin also in diesem letzten Buche gesonnen, die genannte wackere Gesellschaft auf ihrer letzten Station nachzuahmen. Nun ist aber wohl bekannt, daß zu der Zeit alles scherzen und necken unter ihnen beiseite gelegt wird. Was für einen Charakter auch irgend ein Passagier die Reise hindurch zum Spaß angenommen und vorgestellt hat, so legt er ihn ab, und das Gespräch pflegt gemeiniglich unverstellt und ernsthaft zu werden.
Auf eben die Weise, wenn wir uns hin und wieder, während dem Laufe dieses Werks, zur Unterhaltung einen kleinen Scherz erlaubt haben, so mache ich solchem hiermit ein Ende. In der That werden die gar häufigen Materien, welche ich genötigt sein werde, in diesem Buche zusammenzudrängen, keinen Raum für irgend eine von solchen scherzhaften Bemerkungen übrig lassen, deren ich wohl an einigen Stellen gemacht habe und welche dich, lieber Leser, vielleicht zuweilen abgehalten haben, in Schlummer zu verfallen, wenn dich grade eben die Schläfrigkeit überschleichen wollte. Du wirst von der Art nichts (oder doch nur sehr wenig) in diesem letzten Buche antreffen. Alles wird bloß in kunstlosen Erzählungen bestehn, und wirklich, wenn du die mancherlei großen Begebenheiten wirst gelesen haben,
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