Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
welche dieses Buch darstellt, so wirst du die Anzahl der Seiten welche es enthält, kaum zur Erzählung der Geschichte für hinreichend halten. Und somit mein Freund, nehme ich [249] diese Gelegenheit wahr, weil ich weiter keine haben werde, dir von Herzen alles Wohlergehn zu wünschen. Wenn ich dir ein unterhaltender Reisegefährte gewesen bin, so war es, wie ich dir versichre, grade das, was ich wünschte. Sollte ich dir irgend etwas zuwidergethan oder gesagt haben, so war es wirklich gegen meine Absicht. Vielleicht ist eins und das andere hier gesagt, was dich oder deine Freunde getroffen haben mag; aber ich versichre aufs feierlichste, ich habe auf keinen von euch gezielt. Ich zweifle nicht, man wird dir unter andern Geschichten von mir erzählt haben, daß du mit einem sehr stachligen Spottvogel reisen würdest; aber wer dir das auch gesagt hat, der hat mir unrecht gethan. Kein Mensch verabscheut und verachtet stachligen Spott mehr als ich, und kein Mensch hat dazu auch mehr Ursache, denn niemand ist davon ärger mißhandelt worden als ich; und besonders ist mein Schicksal darin hart, daß mir einige von solchen skurrilen Wischen grade von solchen Männern zugeschrieben worden sind, die mich, in andern von ihren Werken, auf die allerhämischte Weise heruntergerissen haben.
Unterdessen weiß ich es recht gut, daß alle jene Werke schon längst den Weg alles Fleisches gegangen sein werden, ehe du noch einmal diese Bogen zu lesen bekommen wirst. Denn so kurz auch immer das Leben meiner eignen Werke sein mag, so werden sie doch höchst wahrscheinlicherweise ihren kränkelnden Verfasser und die elenden Machwerke seiner hämischen Zeitgenossen überleben.
Zweites Kapitel.
Enthält einen sehr tragischen Zwischenfall.
Als Jones mit diesem unangenehmen Nachdenken beschäftigt war, womit wir ihn sich selbst peinigend verließen, strauchelte Rebhuhn herein in des Gefangnen Zimmer, mit einem Gesichte bleicher als Asche, mit Augen, die ihm starr im Kopfe standen, mit in die Höhe gesträubten Haaren und an jedem Gliede zitternd, kurz grade so gestaltet, als ob er eben ein Gespenst gesehen hätte, oder als ob er wirklich selbst ein Gespenst wäre.
Jones, der sich eben nicht leicht fürchtete, konnte es doch nicht vermeiden, über diese plötzliche Erscheinung ein wenig stutzig zu werden. Er selbst veränderte wirklich ein wenig die Farbe und seine Stimme wankte ein wenig, als er ihn fragte was ihm wäre?
»Ich hoffe, mein liebster Herr,« sagte Rebhuhn, »Sie werden mir nicht böse werden! Gewiß ich habe nicht gehorcht, aber ich war genötigt, draußen vor der Thür stehen zu bleiben. O ich wollte lieber, ich wäre hundert Meilen davon gewesen, als zu hören, was ich gehört habe.« – »Wieso? Was ist's denn?« sagte Jones. »Was es ist? liebster Herr, und du lieber Gott!« antwortete Rebhuhn, »war das Frauenzimmer, welches eben jetzt wegging, eben dieselbe, mit der Sie zu Upton waren?« – »Sie war es, Rebhuhn!« sagte Jones. »Und haben Sie wirklich, lieber Herr, bei diesem Frauenzimmer [250] geschlafen?« sagte er zitternd. – »Nun, ich fürchte,« sagte Jones, »es ist leider kein Geheimnis, was dort unter uns beiden vorfiel.« – »Nun ich bitte Sie, liebster Herr, ums Himmelswillen, sagen Sie recht!« schrie Rebhuhn. »Nun, ja! Es geschah,« erwiderte Jones, »Er weiß es ja.« – »Nun! so sei Gott Ihrer armen Seele gnädig, und verzeihe es Ihnen aus Gnade und Barmherzigkeit!« schrie Rebhuhn. »Aber so wahr, als ich lebendig vor Ihnen stehe! Sie haben bei Ihrer eignen, leiblichen Mutter geschlafen.«
Bei diesen Worten ward Jones in einem Augenblick ein größeres Gemälde des fürchterlichen Schreckens, als Rebhuhn selbst. Er verstummte wirklich eine Zeitlang vor Entsetzen, und beide standen und sahen einander an mit wildstarren Augen. Endlich machten sich seine Worte Luft, und er sagte mit unterbrochener Stimme: »Wie! wie! was ist es, das du mir da sagst?« – »O, lieber Herr,« versetzte Rebhuhn, »ich habe nicht Atem genug, Ihnen jetzund viel zu erzählen, aber, was ich gesagt habe, ist gewißlich wahr – das Frauenzimmer, das eben wegging, ist Ihre leibliche Mutter. Welch ein Unglück ist es für Sie, Herr, daß ich sie damals nicht zu sehen bekommen mußte, damit es nicht geschehen wäre! Es kann nicht anders sein, der Teufel selbst muß sein Wesen dabei gehabt haben, eine solche entsetzliche Blutschande zustande zu bringen.«
»Gewiß,« sagte Jones, »mein Schicksal wird nicht eher
Weitere Kostenlose Bücher