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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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aufhören, mich zu verfolgen, bis es mich vollends wahnsinnig gemacht hat! Aber was schelte ich das Schicksal? Ich selbst bin die Ursache meines Jammers. All das schreckliche Unglück, welches mich befallen hat, ist die unmittelbare Folge meiner Thorheiten, meiner Laster! Was du mir da gesagt hast, Rebhuhn, hat mir fast alle Sinne genommen. So war also diese Madame Waters – Aber was frag' ich? Er muß sie ja gewiß kennen! – Wenn er noch ein Fünkchen Liebe für mich hat, ja, wenn er nur Mitleid fühlen kann, so bitt' ich, fleh' ich, geh' er, hol' er dieses unglückliche Weib noch einmal wieder zu mir her. O, mein gütiger Gott! Blutschande! – Mit einer leiblichen Mutter! Wozu bin ich geboren?« Hier verfiel er in eine der heftigsten Anwandlungen von qualvollem Gram und Verzweiflung, worin ihn Rebhuhn auf keine Art und Weise allein lassen wollte. Als sich aber der erste Sturm der Leidenschaften ein wenig gelegt hatte, kam er wieder zu sich selbst, und als er hierauf zu Rebhuhn gesagt hatten, daß er diese unglückselige Frau in demselben Hause antreffen würde, woselbst der Verwundete wohnte, schickte er ihn fort, sie herzuholen.
    Wenn der Leser so gütig sein will, dadurch sein Gedächtnis ein wenig wieder aufzufrischen, daß er den Auftritt zu Upton im neunten Buche wieder nachliest, so wird er im stande sein, die sonderbaren Zufälle zu bewundern, welche unglücklicherweise verhinderten, daß Rebhuhn die Madame Waters, welche doch selbst einen ganzen Tag mit Herrn Jones zubrachte, nicht zu sehen bekam. Ereignisse dieser Art können wir häufig im gemeinen Leben bemerken, wobei die größten Begebenheiten durch einen unmerkbaren Zusammenhang kleiner Umstände hervorgebracht werden, und ein scharfsehendes Auge [251] kann in dieser unsrer Geschichte mehr als Ein Beispiel von der Art entdecken.
    Nach zwei oder drei Stunden fruchtlosen Suchens kam Rebhuhn zu seinem Herrn zurück, ohne daß er Madame Waters angetroffen hatte. Jones, der über sein Ausbleiben in einem Zustand der Verzweiflung war, verfiel fast in den äußersten Wahnsinn, als er ihm diese Nachricht brachte. Indessen verblieb er in diesem Zustande nicht lange, als ihm der folgende Brief gebracht wurde:
     
    »Mein Herr!
     
    Seitdem ich Sie verlassen, habe ich mit einem Herrn gesprochen, von dem ich etwas in Ansehung Ihrer erfahren habe, was mich außerordentlich wundert und mir sehr zu Herzen geht. Da ich aber jetzt nicht Zeit habe, Ihnen eine Sache von so großer Wichtigkeit mitzuteilen, so müssen Sie Ihre Neugierde bis zu unsrer nächsten Zusammenkunft aufschieben, was den ersten Augenblick sein soll, da ich's möglich machen kann Sie zu besuchen. O Herr Jones, wie wenig vermutete ich, als ich den glücklichen Tag zu Upton zubrachte (dessen Andenken wahrscheinlicherweise mein ganzes künftiges Leben verbittern wird) wer es sei, der mir so glückselige Stunden machte. Glauben Sie mir, daß ich beständig aufrichtig verharre
    Ihre unglückliche
    H. Waters

     
    »N.S. Ich bitte Sie, richten Sie Ihr Gemüt auf so viel als möglich, denn Herr Fitz Patrick ist in keiner Art von Gefahr. Sonach ist, was Sie auch sonst für schwere Verbrechen zu bereuen haben mögen, doch keine Blutschuld darunter.«
     
    Als Jones diesen Brief gelesen hatte, ließ er ihn aus den Händen fallen, denn er war unvermögend ihn zu halten, und in der That behielt er kaum den Gebrauch irgend eines seiner Gliedmaßen. Rebhuhn nahm solchen auf und nachdem er stillschweigende Erlaubnis erhalten hatte, las er ihn gleichfalls, und dies that auf ihn nicht viel geringere Wirkung. Der Pinsel, nicht die Feder müßte das Grauen darstellen, das sich auf beider Antlitz zeigte. Derweil sie noch beide sprachlos dastanden, trat der Gefängnisschließer herein, und ohne im geringsten darauf zu achten, was in den Mienen beider so sichtbar zu lesen war, meldete er dem Herrn Jones, daß ein Mann draußen wäre, der mit ihm zu sprechen wünschte. Dieser Mann wurde alsobald hereingeführt und es war niemand anders als der schwarze Jakob.
    Da es dem schwarzen Jakob nicht so geläufig war als dem Schließer, die Mienen des Entsetzens anzusehen, so nahm er den Augenblick die große Zerüttung wahr, welche sich auf dem Gesicht des armen Jones zeigte. Dies schob er auf den Zufall, welcher sich ereignet hatte und welcher unter Herrn Westerns Gesinde von der allerschlimmsten Seite erzählt worden, er meinte also, der verwundete Herr müßte gestorben sein und Herr Jones wäre auf geradem Wege, auf

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