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Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Titel: Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Angesichts der Tatsache, daß die Fingerabdrücke auf den Gegenständen in den Koffern mit den Fingerabdrücken in Signor Greenleafs Wohnung in Rom identisch sind, ist die Polizei zu dem Schluß gekommen, daß Signor Greenleaf die Koffer gepackt und nach Venedig aufgegeben hat. Vermutungen zufolge hat er möglicherweise Selbstmord begangen, eventuell im Wasser im Zustand völliger Nacktheit. Eine andere Vermutung besagt, daß er gegenwärtig unter dem Decknamen Robert S. Fanshaw oder einem anderen Decknamen lebt. Eine weitere Möglichkeit ist, daß er ermordet wurde, nachdem er gepackt hatte, oder gezwungen wurde, zu packen - vielleicht zu dem Zweck, die polizeilichen Ermittlungen durch die Fingerabdrücke in die Irre zu führen . . .
    In diesem Falle ist es nutzlos, noch weiter nach ›Richard Greenleaf‹ zu suchen, selbst wenn er noch leben sollte, denn er ist nicht mehr im Besitz seines ›Richard-Greenleaf‹-Passes . . .«
    Tom war ganz zittrig und benommen. Das gleißende Sonnenlicht unterhalb der Dachrinne schmerzte ihm in den Augen. Automatisch folgte er dem Dienstmann mit seinem Gepäck zum Zollschalter, er versuchte, während er auf seinen geöffneten Koffer hinunterstarrte, den der Zollbeamte hastig durchstöberte, sich darüber klarzuwerden, was diese Neuigkeiten eigentlich bedeuteten, sie bedeuteten, daß keinerlei Verdacht gegen ihn bestand. Sie bedeuteten, daß die Fingerabdrücke in Wirklichkeit seine Unschuld verbürgten. Sie bedeuteten nicht nur, daß er nicht verhaftet würde und daß er auch nicht sterben würde, sondern sie bedeuteten, daß er über jeden Verdacht erhaben war. Er war frei. Abgesehen von dem Testament.
    Tom bestieg den Bus nach Athen. Einer seiner Tischgenossen saß neben ihm, aber Tom ließ kein Zeichen der Begrüßung sehen, er hätte nichts erwidern können, wenn der Mann ihn angesprochen hätte. Es würde ein Brief da sein beim American Expreß in Athen wegen des Testaments, Tom war sicher. Mr. Greenleaf hatte ja Zeit genug gehabt, zu antworten. Vielleicht hatte er unverzüglich seine Rechtsanwälte darangesetzt, und es wartete nur eine höfliche Absage von einem Juristen in Athen, und das nächste Schreiben käme dann vielleicht von der amerikanischen Polizei und besagte, er hätte sich wegen Urkundenfälschung zu verantworten. Vielleicht erwarteten ihn beide Briefe bereits beim American Expreß. Das Testament könnte jetzt alles zerstören. Tom blickte aus dem Fenster auf die primitive, ausgedörrte Landschaft. Nichts drang ihm ins Bewußtsein. Vielleicht warteten griechische Polizisten beim American Expreß auf ihn. Vielleicht waren die vier, die er am Kai gesehen hatte, gar keine Polizisten gewesen, sondern eine Art Soldaten.
    Der Bus hielt. Tom stieg aus, häufte sein Gepäck neben sich und winkte einem Taxi.
    »Würden Sie bitte am American Expreß kurz halten?« bat er den Fahrer auf italienisch, aber der Fahrer verstand anscheinend, zumindest das Wort »American Expreß«, und er fuhr los. Tom erinnerte sich, daß er die gleichen Worte auch zu dem Taxifahrer in Rom gesagt hatte, damals, als er auf dem Wege nach Palermo war. Wie selbstsicher war er an jenem Tage gewesen, kurz nachdem er Marge im »Inghilterra« entwischt war!
    Er setzte sich auf, als er das Schild des American Expreß erblickte, und hielt ringsherum nach Polizisten Ausschau. Vielleicht warteten sie drinnen. Auf italienisch bat er den Fahrer, zu warten, und auch das schien der Fahrer zu verstehen, er tippte sich an die Mütze. Eine trügerische Ruhe lag über allem, es war die Ruhe vor dem Sturm. Drinnen in der Halle des American Expreß sah sich Tom um. Nichts schien anders als gewöhnlich. Vielleicht in dem Augenblick, da er seinen Namen nannte . . .
    »Haben Sie Post da für Thomas Ripley?« fragte er leise auf englisch.
    »Ripley? Bitte buchstabieren Sie.«
    Er buchstabierte.
    Sie drehte sich um und holte ein paar Briefe aus einem Fach. Nichts geschah.
    »Drei Briefe«, sagte sie auf englisch und lächelte.
    Einer von Mr. Greenleaf. Einer von Titi in Venedig. Einer von Cleo, nachgesandt. Er riß den Brief von Mr. Greenleaf auf.
    9. Juni
    »Lieber Tom,
    Ihr Brief vom dritten Juni traf gestern hier ein. Es war für mich und meine Frau nicht gar so überraschend, wie Sie vielleicht angenommen haben. Wir wußten beide, daß Richard Sie sehr gern hatte, obwohl er niemals so weit aus sich herausgegangen ist, uns das in einem seiner Briefe mitzuteilen. Wie Sie sehr richtig bemerkten, scheint dieses

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