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Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Titel: Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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geschickt wurde. Er dachte an ihren verrückten ersten Ausflug nach Rom. Er erinnerte sich voller Wehmut sogar jener halben Stunde in der »Carlton«-Bar von Cannes, als Dickie so gelangweilt war und wortkarg, aber Dickie hatte ja schließlich auch Grund gehabt, gelangweilt zu sein: er, Tom, hatte Dickie dort hingeschleppt, wo Dickie sich doch nichts aus der Côte d´Azur machte. Hätte er doch nur seine Besichtigungen alle allein gemacht, dachte Tom, hätte er es doch nur nicht so eilig gehabt und wäre nicht so gierig gewesen, hätte er doch nur nicht das Verhältnis zwischen Dickie und Marge so dämlich falsch beurteilt, oder hätte er doch einfach gewartet, bis sie sich aus freien Stücken getrennt hätten - dann wäre nichts von all dem passiert, und er hätte sein Leben lang mit Dickie zusammenbleiben können, hätte reisen und leben und sein Leben genießen können bis ans Ende seiner Tage. Hätte er doch nur nicht an jenem Tage Dickies Kleider angezogen . . .
    »Ich verstehe, Tommie, alter Junge . . . ich verstehe wirklich«, sagte Peter und klopfte ihm auf die Schulter.
    Tom sah ihn tränenverschwommen an. Er stellte sich vor, daß er mit Dickie auf einem Dampfer für die Weihnachtsferien nach Amerika führe, stellte sich vor, daß er sich mit Dickies Eltern genauso gut verstünde, als wären Dickie und er Brüder. »Danke«, sagte Tom. Es kam heraus wie ein kindliches »blub«.
    »Ich hätte tatsächlich geglaubt, mit Ihnen wäre irgendwas nicht in Ordnung, wenn Sie nicht endlich einmal so zusammengebrochen wären«, sagte Peter freundschaftlich.

29
    Venedig, den 3. Juni
    Lieber Mr. Greenleaf,
    als ich heute den Koffer packte, fiel mir ein Umschlag in die Hände, den Richard mir in Rom übergeben hat und den ich aus irgendeinem unerklärlichen Grunde bis heute völlig vergessen hatte. Auf dem Umschlag stand ›Nicht vor Juni zu öffnen‹, und zufällig ist jetzt Juni. Der Umschlag enthielt Richards Testament, und er hinterläßt sein Einkommen und sein Vermögen mir. Ich bin hiervon ebenso überrascht, wie Sie es wahrscheinlich sein werden, aber aus dem Wortlaut des Testaments (es ist mit der Maschine geschrieben) ist zu entnehmen, daß er im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gewesen ist.
    Nur eins bedaure ich zutiefst, daß ich nicht mehr an diesen Briefumschlag gedacht habe, denn er hätte schon viel früher bewiesen, daß Dickie die Absicht hatte, sich das Leben zu nehmen. Ich steckte ihn in eine Koffertasche und vergaß ihn dort. Er hat ihn mir bei unserem letzten Beisammensein in Rom gegeben, als er so niedergeschlagen war.
    Nach näherer Überlegung füge ich Ihnen eine Photokopie des Testaments bei, damit Sie es mit eigenen Augen sehen. Dies ist das erste Testament, das ich mein Leben lang zu Gesicht bekommen habe, und ich bin absolut nicht vertraut mit den üblichen Formalitäten. Was soll ich tun?
    Bitte sagen Sie Mrs. Greenleaf meine verbindlichsten Grüße und seien Sie versichert, daß ich tief mit Ihnen fühle und die Notwendigkeit dieses Briefes bedaure. Bitte geben Sie mir so bald wie möglich Nachricht. Ich bin auf weiteres über den
    American Expreß
Athen, Griechenland
    zu erreichen.
    Ergebenst Ihr Tom Ripley«
    In gewisser Weise hieß das ja das Schicksal herausfordern, dachte Tom. Es könnte eine neue Untersuchung der Unterschriften auslösen, der Unterschrift auf dem Testament und der auf den Anweisungen, eine der unerbittlichen Untersuchungen, die von Versicherungsgesellschaften und wahrscheinlich auch von Treuhandgesellschaften eingeleitet wurden, wenn es um Geld aus ihrer Tasche ging. Aber es entsprach genau der Gemütsverfassung, in der er sich befand. Er hatte Mitte Mai seine Fahrkarte nach Griechenland gekauft, und das Wetter war von Tag zu Tag schöner geworden, es machte ihn von Tag zu Tag rastloser. Er hatte seinen Wagen aus der Fiat-Garage in Venedig geholt und war über den Brenner nach Salzburg und München gefahren, nach Triest hinunter und hinüber nach Bolzano, und überall hatte er schönes Wetter gehabt, außer einem sanften, frühlingshaften Schauer in München, gerade als er im Englischen Garten spazierenging, und er hatte sich nicht einmal bemüht, unter Dach und Fach zu kommen, sondern war einfach weitergelaufen, begeistert wie ein Kind bei dem Gedanken, daß dies der erste deutsche Regen sei, der in seinem Leben auf ihn herniederfiel. Er besaß nur zweitausend Dollar auf seinen Namen, übernommen von Dickies Bankkonto und erspart von Dickies Einkommen, denn er

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