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Tom Sawyers Abenteuer und Streiche

Titel: Tom Sawyers Abenteuer und Streiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Twain
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lesen zu lassen, der aber wollte nicht hersehen. Sie verwunderte und grämte sich darüber; dann faßte sie Verdacht und paßte auf; ein verstohlener Blick, den sie auffing, sagte ihr Welten und brach ihr armes Herz. Sie war eifersüchtig, zornig, Tränen kamen, sie haßte alle Welt, Tom aber zu allermeist, in ihrem Herzen.
    Tom wurde dem Kreisrichter vorgestellt, aber die Junge schien ihm wie gelähmt, sein Atem stockte, sein Herz klopfte zum Zerspringen, teils wegen der furchterregenden Größe des gewaltigen Mannes, hauptsächlich aber, weil er  ihr  Vater war. Er wäre gerne vor ihm niedergesunken, wenn's nur dunkel gewesen wäre. Der große Mann legte die Hand auf Toms Haupt, nannte ihn einen tüchtigen, kleinen Burschen und fragte ihn, wie er heiße. Der Junge stammelte, stotterte und stieß endlich hervor:
    »Tom.«
    »Nun, doch nicht nur Tom, sondern –«
    »Thomas.«
    »So ist's recht, ich dachte mir wohl, es gehöre noch etwas dazu. Du hast aber doch wohl noch einen anderen Namen, denke ich, und den wirst du mir doch auch sagen, nicht?«
    »Nenne dem Herrn deinen vollen Namen, Thomas,« mahnte der Vikar, »und sage auch ›mein Herr‹, oder ›Herr Kreisrichter‹, du mußt doch wissen, was sich schickt!«
    »Thomas Sawyer – Herr Kreisrichter!«
    »So, so ist's recht, das nenn' ich einen guten Jungen. Prächtiger Bursche! Wirklich prächtiger Kerl! Zweitausend Verse ist viel, – sehr viel! Aber, mein Kleiner, du wirst es gewiß nie bereuen, daß du dir so viel Mühe drum gegeben. Wissen ist mehr wert, als alles in der Welt, lernen und etwas wissen macht die großen und die guten Männer im Leben. Auch du wirst wohl einmal ein guter, vielleicht ein großer Mann, Thomas, und dann wirst du auf die Tage deiner Kindheit zurücksehen und sagen: das alles verdanke ich den unbezahlbaren Wohltaten, die ich durch die Sonntagsschule genossen, verdanke es meinen guten Lehrern, die mich zum Lernen anhielten, dem Herrn Vikar, der mich anfeuerte, mich leitete, mir die schöne Bibel schenkte, eine wundervolle, sein gebundene Bibel, die ich behalten durfte und ganz für mich allein besitzen, – alles, alles verdanke ich meiner guten, ausgezeichneten Erziehung. So wirst du sprechen, Thomas, und du ließest dir dann für kein Geld der Welt diese zweitausend Verse abkaufen, – für kein Geld der Welt, niemals! Und jetzt wirst du gewiß dieser Dame und mir etwas mitteilen, was du weißt, was du gelernt hast, nicht wahr? Denn sieh, wir sind stolz auf kleine Jungen, die etwas wissen. Ohne Zweifel kannst du uns doch die Namen der Jünger des Herrn sagen? Du kennst sie gewiß alle zwölf. Sag' uns einmal, wer waren die zwei ersten, die ihm nachfolgten?«
    Tom hatte währenddessen immerzu an einem Knopf seiner Jacke herumgedreht und möglichst dumm und einfältig dazu ausgesehen. Jetzt wurde er glühend rot und bohrte die Augen beinahe in den Boden. Dem Vikar sank das Herz in die Stiefel, Er wußte, daß der Junge unmöglich die allereinfachste Frage beantworten konnte, warum auch mußte der Herr Kreislichter ihn fragen! Trotzdem fühlte er sich gedrungen, gleichsam ermunternd zu sagen:
    »Antworte dem Herrn, Thomas, – fürchte dich doch nicht!«
    Tom tat nichts als rot und röter werden.
    »Mir wirst du's doch sagen,« begann nun auch die Dame; »also die Namen der beiden ersten Jünger waren –«
    »  David  und  Goliath !«
    Laßt uns den Schleier christlicher Barmherzigkeit über den Rest der Szene breiten. Auch was Tante Polly später zu der Bibel sagte und wie sie sich drüber freute, erwähnen wir besser nicht.
     

     

5. Eine Zahnoperation. – Toms Freund. – Ein Mittel gegen Warzen. – Ein Strafgericht und Fortschritte in der Liebe.
    Der Montagmorgen fand Tom sehr niedergeschlagen. Das war eigentlich an jedem Montagmorgen der Fall, denn damit begann ja eine neue Woche der Plage und des Leidens in der Schule. Gewöhnlich begrüßte er diesen Tag mit dem Wunsche, daß es lieber gar keine Feiertage geben möchte, denn das machte die nun wieder aufzunehmenden Ketten der Sklaverei nur um so drückender und fühlbarer.
    Tom lag da und dachte nach. Plötzlich kam ihm die leuchtende Idee: wenn er nun krank wäre, dann brauchte er doch nicht zur Schule, Was war die einzige Möglichkeit, Er untersuchte und prüfte sein ganzes Körpersystem, Nirgends fand sich auch nur das geringste Schadhafte, Von neuem prüfte er. Diesmal meinte er leise Anzeichen von kolikartigen Schmerzen zu verspüren, die er mit rasch

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