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Tom Sawyers Abenteuer und Streiche

Titel: Tom Sawyers Abenteuer und Streiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Twain
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tut, was verboten ist. Ich hätt' grad so gut und brav sein können wie Sid, – aber natürlich, das paßt mir nicht. Wenn ich noch mal mit heiler Haut davonkomme, so schwör ich, daß ich mein Leben lang in die Sonntagsschule gehen will, – ich Elender!«
    Und Tom begann ein wenig zu schluchzen und sich die Augen zu reiben.
    »  Du , schlecht?« Auch Huckleberry schluchzte nun. »Ach was, Tom Sawyer, du bist Gold, reines Gold, sag ich dir, gegen mich. Ach, Gottchen, Gottchen, Gottchen, – ja, wenn ich nur halb die Gelegenheit gehabt hätt', gut zu sein wie du, Tom, ich –«
    Tom brach plötzlich im Schluchzen ab und flüsterte freudig:
    »Sieh doch, Huck, sieh! Er kehrt uns ja den  Rücken zu !«
    Nun schielte auch Huck durch die Ritze, Wonne im Herzen.
    »Weiß Gott, so ist's! Hat er denn vorher das auch schon getan?«
    »Ei, freilich; ich Esel hab aber gar nicht darauf acht gegeben. Na, das ist herrlich! Jetzt aber, wen kann er meinen?«
    Das Geheul verstummte, Tom spitzte die Ohren.
    »Scht, – was ist das?« flüsterte er.
    »'s klingt wie – na, wie Schweinegrunzen, Doch nein, – da schnarcht einer, Tom!«
    »Wahrhaftig, so ist's! Woher kommt's wohl, Huck?«
    »Ich glaub von dort, vom anderen Ende, 's klingt wenigstens so. Mein Alter hat dort manchmal geschlafen, aber, Herrgott, wenn der schnarcht, fallen die Mauern ein. Ich glaub auch nicht, daß der je wieder hierher kommt.«
    Noch einmal regte sich der Unternehmungsgeist in der Seele der Knaben.
    »Huckchen, getraust du dir mitzukommen, wenn ich vorangehe?«
    »Viel Lust hab ich nicht, Tom. Wenn's nun der Indianer-Joe wäre?«
    Tom fuhr zusammen und zögerte. Bald aber erhob sich die Versuchung wieder mit aller Macht und die Jungen kamen überein, die Sache zu untersuchen, aber Fersengeld zu geben, sowie das Schnarchen aufhöre. So stahlen sie sich denn auf den Zehenspitzen, einer hinter dem anderen, dem Orte zu, von wo der Laut kam. Fünf Schritte etwa vom Schnarcher entfernt, trat Tom auf einen Stock, der mit scharfem Knack zerbrach. Der Mann stöhnte und wandte sich ein wenig, so daß sein Gesicht sich dem Mondschein zukehrte. Es war Muff Potter. Den Jungen hatte das Herz stillgestanden, als der Mann sich regte, nun aber schwand ihre Angst. Auf den Zehen schlichen sie hinaus durch die geborstene Mauer und blieben in geringer Entfernung stehen, um ein Abschiedswort zu tauschen. Wieder erhob sich jenes langgezogene, klägliche Geheul in die Nachtluft hinein. Sie wandten sich und sahen den fremden Hund, nur ein paar Schritte entfernt von dem Ort, an dem Potter lag, diesem den Kopf zuwendend, mit der Schnauze gen Himmel deuten.
    »Herr Jemine, den meint er!« riefen die beiden in einem Atem.
    »Sag mal, Tom, 's hat mir einer erzählt, daß um dem Johnny Miller sein Haus 'n fremder Hund herumgeheult hätt' vor 'n paar Wochen, und daß 'ne Eule sich auf dem Dach gezeigt hat, und doch ist noch keiner tot dort.«
    »Weiß ich. Das beweist aber gar nichts! Ist nicht am selben Sonnabend die Grace Miller auf den Herd gefallen und hat sich schrecklich verbrannt?«
    »Wohl, aber tot ist sie doch nicht – im Gegenteil viel besser.«
    »Na, paß du nur auf, die muß sterben, so gewiß, wie der Muff Potter dort sterben muß. So sagen die Nigger, und die wissen Bescheid in den Geschichten, Huck!«
    Die Jungen trennten sich, in tiefes Nachdenken versunken.
    Als Tom durch sein Schlafzimmerfenster zurückkroch, war die Nacht beinahe vorüber. Er entkleidete sich mit der äußersten Vorsicht und fiel in Schlaf, indem er sich selbst von Herzen Glück dazu wünschte, daß niemand von seinem nächtlichen Ausflug etwas gemerkt habe. Armer, blinder Tom! Er selbst hatte nichts gemerkt; er wußte nicht, daß der sanft schnarchende Sid wachte, wach gewesen war seit einer Stunde.
    Als Tom am anderen Morgen die Augen aufschlug, war Sid angekleidet und fort. Das Tageslicht draußen hatte ordentlich einen späten Schein, es lag 'was Spätes in der ganzen Atmosphäre, Tom erschrak. Warum hat man ihn nicht gerufen, – ihn nicht geplagt, wie gewöhnlich, bis er auf war?
    Dieser Gedanke erfüllte ihn mit schlimmen Ahnungen. Innerhalb fünf Minuten war er in den Kleidern und die Treppe hinunter, noch ganz schwindelig und müde. Ihm war nicht wohl zumute. Die Familie saß noch um den Tisch, das Frühstück aber war beendet. Keine Stimme des Vorwurfs erhob sich, aber die abgewandten Augen aller, die Stille und so eine Art Feierlichkeit, die das ganze Zimmer zu erfüllen schien,

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