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Tom Sawyers Abenteuer und Streiche

Titel: Tom Sawyers Abenteuer und Streiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Twain
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wirklich getan, Joe? Ich hab's ja gewiß und wahrhaftig nicht gewollt, auf Ehr und Seligkeit, ich hab's nicht tun wollen, Joe. Wie ist's denn eigentlich gewesen, Joe? Ach, 's ist gräßlich – und er so jung und hochbegabt!«
    »Na, ihr beiden balgtet euch und er hieb dir eins mit dem Brett dort über und du fielst um wie ein Sack. Dann rappeltest du dich wieder auf, ganz taumelig und wackelig, griffst nach dem Messer und bohrtest es ihm in die Rippen, gerade als er dir einen zweiten gewaltigen Klaps mit dem Dings da versetzte. Seitdem lagst du da wie ein Klotz und hast dich nicht gerührt.«
    »Oh, ich hab nicht gewußt, was ich tue. Will auf der Stelle tot hinfallen, wenn ich's gewußt hab. Daran ist nur der verdammte Branntwein und die Aufregung schuld. Nie im Leben hab ich's Messer gezogen, Joe. Gerauft hab ich, aber nie gestochen. Das kannst du von jedem hören, Joe, verrat mich nicht! Sag's, daß du mich nicht verraten willst, Joe, bist auch 'en guter Kerl, Ich hab dich immer gern gehabt, Joe, und hab dir's Wort geredet. Weißt du's nicht mehr? Gelt, du sagst nichts, Joe?« Und der arme, geängstigte Kerl warf sich auf die Knie vor dem vertierten Mörder und faltete flehend die Hände.
    »'s ist wahr, du hast immer zu mir gehalten, Muff Potter, und das will ich dir jetzt gedenken, – Das nenn ich doch wie 'n ehrlicher Kerl gesprochen, was?«
    »Oh, Joe, du bist ein Engel. Ich will dich segnen, so lange ich lebe.« Und Potter begann zu weinen.
    »Na, komm, laß gut sein. Jetzt ist keine Zeit zum Heulen und Greinen. Mach dich fort, dort hinaus, ich geh den Weg. Flink, los – und daß du mir keine Spuren zurücklässest!«
    Potter schlug einen gelinden Trab an, der bald in ein Rennen ausartete. Sein Geselle sah ihm nach und murmelte:
    »Wenn er so benebelt ist vom Schnaps und vom Hieb, wie er aussieht, so wird er nicht mehr an das Messer denken, bis er so weit weg ist, daß er sich fürchtet, allein hierher zurückzukommen – der Hasenfuß!«
    Zwei oder drei Minuten später sah nur noch der Mond nieder auf den Gemordeten, auf die verhüllte Leiche, den deckellosen Sarg und das offene Grab. Lautlose Stille herrschte aufs neue.
     

     

9. Reue.
    Die beiden Jungen flohen keuchend, sprachlos vor Entsetzen, dem Städtchen zu. Von Zeit zu Zeit warfen sie angstvolle Blicke über die Schultern zurück, als ob sie fürchteten, man könne sie verfolgen. Jeder Baumstumpf, der sich am Wege erhob, schien ein Mensch und ein Feind, dessen Anblick ihnen beinahe den Atem raubte. Als sie an einigen freigelegenen Häusern vorüberjagten, schien das Bellen der aufgestörten Hofhunde ihren Sohlen Flügel zu verleihen.
    »Wenn wir nur die alte Gerberei erreichen, ehe wir zusammenbrechen,« keuchte Tom stoßweise zwischen das mühsame Atemholen hinein. »Ich kann kaum mehr länger!«
    Hucks Keuchen war seine einzige Antwort; die Jungen hefteten die Augen fest auf das ersehnte Ziel ihrer Wünsche und strebten mit aller Macht es zu erreichen. Es rückte näher und näher und endlich stürzten sie, Schulter an Schulter, durch die offene Tür und fielen atemlos in die schirmenden Schatten des Raumes. Nach und nach mäßigten die jagenden Pulse ihr Tempo und Tom flüsterte:
    »Huckleberry, was denkst du, das daraus werden wird?«
    »Wenn der Doktor stirbt, wird einer baumeln.«
    »Glaubst du?«
    »Glauben? Das ist sicher!«
    Tom dachte eine Weile nach, dann sagte er:
    »Wer soll's denn sagen? – Wir?«
    »Unsinn! Wenn was dazwischen kommt und der Indianer-Joe doch nicht baumeln muß, der würd' uns schön an den Kragen gehen, so gewiß ich hier lieg.«
    »Das hab ich eben auch gedacht, Huck.«
    »Wenn's einer sagen muß, so kann's ja der Muff Potter tun, dumm genug ist er dazu. Beduselt ist er auch meistens.«
    Tom sagte nichts, – dachte weiter. Bald darauf flüsterte er: »Huck, Muff Potter weiß ja von nichts. Wie kann der's sagen?«
    »Warum weiß er von nichts?«
    »Der hatte ja gerade den Hieb abgekriegt, als der andere zustach. Glaubst du, daß der noch was gesehen haben kann, daß er noch was weiß?«
    »Allerdings mein ich das, Tom!«
    »Hör du, der Hieb hat ihm am End auch noch den Rest gegeben!«
    »Das glaub ich nicht, Tom. Der hatt' Branntwein im Kopf, ich hab's gesehen. Wenn mein Alter voll ist, dürft man ihm ohne Schaden mit 'nem Kirchturm über den Kopf hauen, er würd's nicht spüren. Das sagt er selber. Grad so ist's mit Muff Potter natürlich. Wenn einer nüchtern wäre, könnte er freilich am End mit so 'nem

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