Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders
sie stehen. Maxwell zündete sich kopfschüttelnd eine Zigarette an. »Einfach nicht zu fassen.«
Thorne zuckte mit den Achseln. Hoffentlich hatte Mary Rendle von den Zeitungen einen ordentlichen Batzen Geld bekommen. Sie würde es brauchen. So wie er den Blick verstanden hatte, den Felgate ihr zugeworfen hatte, als Thorne und Maxwell das Büro verließen, hatte sie die längste Zeit schmutzige Handtücher eingesammelt.
Maxwell drückte den Knopf für den Aufzug. Er musste zurück an den Tatort. »Hören Sie, Sie sind dabei, wenn wir den Mistkerl dingfest machen, klar?«
Thorne sah in das lächelnde Delfingesicht. Er wurde nicht schlau daraus. Zumindest klang das Angebot ehrlich. »Danke, Colin. Wenn ihr etwas braucht, Anruf genügt …«
»Der Detective Chief Inspector hat uns vollen Zugriff auf die Akten gewährt, aber ihr habt die Drecksarbeit erledigt, von daher ist es nur fair.«
»Knöpft ihr euch zuerst die Angestellten vor?«
Vor sechs Monaten, bevor der Mörder abgetaucht war, waren sie überzeugt gewesen, er müsse einen Kontakt zu Insidern haben. Sie konnten es sich nur so vorstellen, dass in jedem Hotel jemand saß, der ihn mit Informationen versorgte. Sie hatten keine Ahnung, wie er diese Kontakte herstellte, aber sie mussten ihm stecken, welche Gäste sich in ihrem Zimmer aufhielten, wer etwas beim Zimmerservice bestellt hatte, wo er auf die Überwachungskameras achten musste …
Jetzt hatte sich eine dieser Kontaktpersonen der Beihilfe zum Mord schuldig gemacht.
»Dafür spricht einiges.« Maxwell nickte, kniff dabei jedoch leicht die Augen zusammen. Er mochte es nicht, wenn man ihm sagte, was er zu tun habe. Wenn man ihn von oben herab behandelte, so unabsichtlich und unterschwellig dies auch geschah.
Der Lift kam, und Maxwell stieg ein. »Alles Gute …«
Thorne trat vor und legte die Hand auf die sich schließende Tür. »Hören Sie, hat sich jemand mal den Fall unter dem Drogenaspekt angesehen? Nur um auf der sicheren Seite zu sein. Die Folter, die Verbindung nach Holland …«
Maxwell lehnte sich gegen die dekorativ mit Spiegeln versehene rückwärtige Liftwand. »Ronald Van Der Vlugt handelte mit antiquarischen Büchern. War hier wegen einer Ausstellung alter Bücher und Manuskripte im Olympia. Ich wette, die einzigen Drogen, die er je nahm, waren Schlaftabletten oder Abführmittel. Vielleicht noch Viagra …«
Thorne konnte nicht anders, er musste schmunzeln. Er trat zurück und wartete darauf, dass die Türen sich schlossen.
Maxwell lächelte definitiv. Nun war er an der Reihe, den Gönner zu geben. »Sie überraschen mich, Thorne. Sich so an jeden Strohhalm zu klammern
Thorne fixierte ihn, als sich die Türen zu schließen begannen.
»So bin ich, Kumpel, so bin ich.«
»Sie sehen Scheiße aus«, sagte McEvoy.
Thorne nahm einen großen Schluck Kaffee. »Sie auch, und ich hab mir die ganze Nacht tote Holländer angesehen. Welche Entschuldigung haben Sie?«
Es war kurz nach neun Uhr, und Thorne war bereits seit acht Stunden wach. Um Viertel vor fünf war er zwar noch einmal in seine Wohnung zurückgekehrt, da er aber nicht mehr schlafen konnte, hatte er sich ins Büro aufgemacht. Die Fahrt hierher, durch die praktisch leeren Samstagmorgenstraßen, war das weitaus Beste an diesem Tag gewesen. Und wäre es wohl noch immer, wenn er abends ins Bett stieg.
Im Augenblick war er völlig erschöpft und so übel drauf wie selten. Und offensichtlich war er nicht der Einzige, dem es so ging.
»Wie ich aussehe, geht Sie wirklich nichts an, Sir.«
»Was?« Thorne war so kaputt, dass er nicht einmal die nötige Energie aufbrachte, um wütend zu werden.
»Vergessen Sie’s.« McEvoys Augen blitzten ihn kalt an, bevor sie auf den Absätzen kehrtmachte und aus dem Büro rauschte.
»Großer Gott …« Thorne holte tief Luft. Er öffnete seine Schreibtischschublade und starrte mit leerem Blick auf den Hefter, bevor er sie wieder zuschob.
Er griff nach der Zeitung auf seinem Schreibtisch, lehnte sich zurück und las die Geschichte von den abgeschlachteten Touristen zum dritten Mal, seit er ins Büro gekommen war. Der unvermeidliche Hinweis auf das unvorstellbare Grauen in Zimmer 313 und dazu dick aufgetragen der Kram von »der Stadt, die für Touristen zunehmend gefährlich wird«. Dazu ein paar halb wahre Details und eine heftige Dosis Entrüstung.
Die Buchstaben begannen vor Thornes Augen zu tanzen, also schloss er sie. Nach ein paar Minuten – oder vielleicht war es auch eine
Weitere Kostenlose Bücher