Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders
Entscheidungen stand ich hinter Ihnen …«
»Weil die Entscheidungen richtig waren
»Jesmond bekommt allmählich das große Zittern, klar? Ich rede nicht davon, die Sache runterzufahren, also brechen Sie mir nicht in Panik aus. Aber irgendein Fortschritt käme im Augenblick großartig rüber.«
Thorne sprang aus dem Bett und erhaschte immer wieder einen flüchtigen Blick auf sein Spiegelbild in dem am Schrank angebrachten Spiegel, während er durch das Zimmer stürmte. Er wirkte keineswegs glücklich. Natürlich hatte Brigstocke Recht, aber er war dennoch aufgebracht. »Glaubt er denn, wir sitzen auf unserem Arsch?«
»Die Hotelmorde sind morgen auf den Titelseiten.«
»Was? Wieso …?«
»Die Leichen wurden von einem Zimmermädchen gefunden, das die Betten machen wollte. Die Frau rief die Zeitungen an, bevor sie uns benachrichtigte.«
»Gott. Norman wird außer sich sein …«
»Da ist er nicht der Einzige. Das Ehepaar kam aus Holland, aus Amsterdam. Touristen, Tom.«
Thorne schnaubte sarkastisch. »Ach, ich verstehe …«
» Es ist mir scheißegal, was Sie zu verstehen glauben, Inspector.« Brigstockes Ton war schlagartig ein anderer geworden. Thorne zuckte zusammen, und so etwas wie schlechtes Gewissen begann sich zu regen. Der Detective Chief Inspector stand offensichtlich unter Druck. »Wir könnten in dem Fall eine Pause gebrauchen. Und während wir beide auf dasselbe warten, möchte ich, dass Sie tun, was in Ihren Kräften steht, verstanden? Also fahren Sie dorthin und sehen sich die Sache an.«
Ronald Van Der Vlugt hatte relativ unbemerkenswerte achtundfünfzig Jahre auf dem Planeten verbracht, bevor er in einem Londoner Hotel einem Fremden die Tür öffnete. Jetzt lag er nackt im Bad, blutiges Wasser schwappte gegen seinen leblosen Körper, der zusammengeschnürt war wie ein zum Auftauen bereiter Truthahn.
»Was ist mit den Schnittwunden, Phil?«
Hendricks kniete an der Seite der Badewanne, maß Wunden ab und murmelte in ein kleines Diktafon. Er brummte griesgrämig und kratzte sich den Kopf durch die auffallende gelbe Duschhaube hindurch. »Stanley-Messer, was in der Richtung. Sehr scharf und sehr gerade. Dutzende davon, überall. Armer Teufel. Im Gesicht, am Rumpf, an den Genitalien. Da drin dasselbe.« Er deutete auf das Schlafzimmer, wo Mrs. Van Der Vlugt ausgestreckt auf dem Bett lag und an die Decke starrte. Am ganzen Körper zerschnitten und zugerichtet und so steif wie ein Hackblock.
»Und es steht fest, dass er es nicht nach Eintreten des Todes getan hat?«, fragte Thorne. Die Toten blieben tot, sicher, aber die Lebenden richteten keinen Schaden an, wenn sie nach einem kleinen Trost suchten, den sie den Hinterbliebenen anbieten könnten. Thorne sah hinunter auf die Schnitte in dem fleckigen Bauch, die Exkremente, die im Wasser schwammen, die Gehirnmasse, die am Abfluss klebte. Er hatte keine Ahnung, ob die Van Der Vlugts Kinder hatten oder Enkelkinder …
Hendricks schüttelte den Kopf. »Zu viel Blut, Kumpel. Er hat eine Weile an ihnen rumgeschnippelt und ihnen dann den Hinterkopf eingeschlagen. Ende der Geschichte.« Hendricks schaltete sein Diktafon wieder ein und kehrte zu seiner Arbeit zurück. Thorne drehte sich um und ging in das Schlafzimmer, nickte den Leuten von der Spurensicherung zu, die sich bedächtig im Zimmer zu schaffen machten, Klebeband auf den Teppich drückten, Oberflächen abstaubten, Fasern und Haare sammelten.
Sie arbeiteten schweigend; die Stille wurde nur hier und da unterbrochen durch das Knacksen eines Kniegelenks, das Klicken eines Beweisbeutels und das Rascheln weißer Plastikanzüge.
Thorne stand am Fußende des Bettes und betrachtete Sonja Van Der Vlugt. Sie schien jünger zu sein als ihr Mann. Anfang fünfzig, mit einem rundlichen Gesicht. Ihr silbergraues Haar war zu einer modischen Bobfrisur geschnitten, an ihrer Figur merkte man, dass sie auf sich geachtet hatte. Und dann die Folterspuren.
Thorne hatte keine Beweise für seine Vermutung, aber nichtsdestotrotz hegte er nicht den geringsten Zweifel, dass der Mann, der hierfür verantwortlich war, die beiden gezwungen hatte zuzusehen, während er den jeweils anderen mit dem Messer bearbeitete. Ihr von den improvisierten Knebeln unterdrücktes Schreien und wie sie sich in ihren Fesseln wanden, erregte ihn dabei ebenso wie das Gefühl, als die Klinge durch die Haut drang und das Blut zu fließen begann.
Der kleine Safe unten im Schrank war geöffnet. Möglicherweise war daraus Schmuck geraubt
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