Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes
an, sah ihre Augen größer werden, ein Zucken um die Mundwinkel. Sie prusteten beinahe gleichzeitig los.
»Ich weiß nie, wann du mich aufziehst«, sagte er.
Sie schob die Hand über den Tisch und griff nach seiner. »Kannst du es nicht einfach eine Weile gut sein lassen, Tom? Heute Abend wünsch ich mir, dass du abschaltest …«
»Kinder können einem ganz schön zu schaffen machen«, sagte Irene Noble. »Sie werfen alles über den Haufen.« Sie sah zu Holland. »Und dennoch ist man froh, sich dafür entschieden zu haben …«
Wenn schon reden, hatte sich Holland gedacht, dann wohl über Kinder. Dass sie am Ende über seines reden würden, damit hatte er nicht gerechnet.
»Ich fühl mich einfach so schuldig«, sagte er. »Weil ich innerlich ablehne, was auf mich zukommt. Weil ich manchmal daran denke, einfach zu gehen.«
»Ihr Gefühlsleben wird noch viel mehr durcheinander geraten. Es wird Momente geben, da wären Sie bereit, für sie zu sterben, und eine Minute später könnten Sie sie umbringen. Sie machen sich Sorgen, wo sie stecken, und dann wünschen Sie sich wieder, endlich eine Sekunde allein für sich zu haben …«
»Sie sprechen von später, wenn das Baby da ist. Aber ich fühle mich jetzt so.«
»Das ist normal. Nicht nur die Gefühle der Frau geraten in Aufruhr. Nur können Sie nicht die Hormone als Entschuldigung anführen …«
Holland lachte, und die zwei Gläser Wein, die er getrunken hatte, trugen zu diesem entspannten Gefühl bei. Eine Stunde zuvor hatte er sich weitaus weniger selbstsicher gefühlt. Als sie zu essen anfingen und es plötzlich aus ihm heraussprudelte, hatte er wieder eine Tränenflut befürchtet. Doch Irene hatte ihm geholfen, die Fassung zu bewahren, und ihn überzeugt, alles werde sich regeln …
»Ich trag das hier raus.« Sie stand auf und nahm das Tablett, das sie auf dem leeren Platz neben sich auf dem Sofa abgestellt hatte.
Holland reichte ihr seinen leeren Teller. »Danke. Das war wunderbar.« Damit meinte er nicht unbedingt die Lasagne, die in der Mitte kalt gewesen war.
Er lehnte sich zurück und lauschte, wie sie in der Küche herumfuhrwerkte. Er hörte sie leise auf den Hund einreden und das Geschirr in die Spülmaschine räumen.
Dieses Gespräch hätte Holland niemals so mit seiner Mutter führen können. Irene Noble war, ein Jahr hin oder her, so alt wie seine Mutter – eine Frau, die das letzte halbe Jahr über Babykleidung kaufte. Eine Frau, die sich nicht eingestehen wollte, dass etwas schief gehen könnte, und die Augen davor verschloss, dass es zwischen ihrem ältesten Sohn und seiner schwangeren Freundin nicht unbedingt zum Besten stand.
Irene kam mit Schokoladeneis in der Hand zurück. »Davon habe ich immer einen Vorrat in der Gefriertruhe. Bei diesem Wetter ist das herrlich …«
Für eine Minute schwiegen sie beide. Sie saßen nur da und aßen ihr Eis und lauschten dem Geräusch von über Linoleum schlitternden Hundekrallen.
Als Irene Noble ihre Beine wie ein Teenager auf das Sofa legte und zu sprechen anfing, beobachtete Holland, wie sich ihr Gesicht veränderte, bis jedes einzelne Jahr deutlich zu sehen war.
»Was immer Sie für Probleme haben, ich hoffe, Sie klären sie. Sie alle drei. Aber diese Probleme gehören sicher nicht in dieselbe Liga wie manches von dem, was Kinder in dieses Haus gebracht haben. Man gibt sie weiter, wissen Sie. Man vererbt sie wie Kahlheit oder Diabetes oder die Augenfarbe …«
»Sie sprechen von Mark und Sarah …«
»Neulich fällte ich ein ziemlich hartes Urteil über die zwei Pflegefamilien, die die Kinder vor uns hatten. Über ihre Unfähigkeit, mit ihren Problemen umzugehen. Die Wahrheit ist, wir waren in Wirklichkeit nicht viel besser darin als sie.«
»Sie haben die beiden adoptiert.«
»Ich denke, das war unser letzter Versuch, Ihnen das Gefühl zu geben, Teil von etwas Größerem zu sein. Zwei Erwachsene und zwei Kinder. Wir wollten, dass sie sich öffneten, die übrige Welt nicht völlig ausschlossen.«
»Andererseits ist es durchaus verständlich«, sagte Holland. »Dass die beiden wie Pech und Schwefel zusammenhielten. Dass sie ein enges Verhältnis zueinander hatten, nach dem, was sie durchgemacht hatten.« Er wich ihrem Blick aus, sah auf den Boden und dachte: »Und was sie noch durchmachten …«
»Ihr Verhältnis war zu eng«, erklärte sie. »Das war das Problem. Als sie verschwanden, war Sarah schwanger, und das Baby, das sie erwartete, war von Mark.«
Neunundzwanzigstes
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