Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes
zwischen seinem Gesicht und dem Lenkrad, und ließ den Kopf langsam nach vorne sinken. Er spürte die kalte Flasche hart an seiner Wange, und nach ein paar Minuten wurde die Tüte von den Tränen warm und glitschig. Bei jedem verzweifelten Luftholen saugte er das klamme Plastik in den Mund …
Wie vor ein paar Tagen, als er nicht aufhören konnte zu kotzen, ließ Holland auch das hier über sich ergehen und wartete, dass es von selbst aufhörte.
Er weinte um sich und um Sophie und um das Kind, das sie in fünf Wochen haben würden. Er weinte, weil er sich schuldig fühlte und dumm vorkam, weil es ihm Leid tat und er Angst hatte. Die Tränen aber, die ihn am meisten schmerzten, die schneller und größer herausgepresst wurden, waren jene, die er aus Wut über das rückgratlose, egoistische Arschloch vergoss, das er geworden war.
Als es vorbei war, hob Holland das verheulte Gesicht gerade hoch genug, um sich mit dem Ärmel darüber wischen zu können. Wie ein Kind. Er saß schniefend da und starrte hinauf zur Wohnung. Zuvor hatten ihn seine Verwirrung und eine widerliche, namenlose Angst in den Sitz gedrückt und daran gehindert hineinzugehen. Die Scham, die ihm nun die Luft abdrückte, zeitigte dieselbe Wirkung.
Er konnte nicht hineingehen, noch nicht.
Holland sah hinunter auf seine Aktentasche auf dem Beifahrersitz. Ihm war klar, dass, selbst wenn er die Arbeit mit nach oben nahm und sich sofort daranzusetzen versuchte, das erste Lächeln Sophies genügen würde, ihn explodieren zu lassen.
Vielleicht sollte er einfach ein bisschen herumfahren …
Er langte nach unten, nahm die Schachtel und wühlte darin herum, bis er das gesuchte Blatt fand. Er räusperte sich, als er sein Handy herauszog und die Nummer wählte. Dennoch klangen die ersten Worte, mit denen er sich meldete, erstickt und heiser.
»Mrs. Noble, hier ist noch einmal Dave Holland. Ich weiß, der Zeitpunkt ist merkwürdig, aber ich wollte Sie fragen, ob ich dennoch vorbeikommen und diese Fotos abholen könnte …?«
Achtundzwanzigstes Kapitel
Holland schaffte es in knapp vierzig Minuten nach Romford und fand, als er aus dem Auto stieg, Irene Noble auf der Treppe vor ihrem Haus vor, wo sie auf ihn wartete. Sie ging ihm auf dem Weg entgegen. »Sie waren aber schnell. Normalerweise hängt es davon ab, wie dicht der Verkehr durch den Blackwall Tunnel ist. Wahrscheinlich ist es um diese Zeit am besten …«
Sie trug einen beigen Hosenanzug und war perfekt geschminkt. Holland sah, wie sie nach links und rechts spähte, ob sie in den Häusern dort einen Vorhang verrutschen sah, ein Zeichen, dass einer ihrer Nachbarn den jungen Mann bemerkte, der zu ihrer Tür ging.
»Die Fahrt war problemlos«, sagte Holland. »Es war überhaupt nicht viel Verkehr …«
Er folgte ihr ins Haus, wo er begeistert von einem kleinen, schmutzig weißen Hund begrüßt wurde. Sein Fell war verfilzt und roch ein wenig streng, aber Holland streichelte ihn trotzdem, als er kläffte und ihn ableckte und sich an seinen Beinen rieb.
Mrs. Noble scheuchte den Hund in die Küche. »Candy nervt inzwischen manchmal«, sagte sie. »Sie war eigentlich Rogers Hund, doch das liegt lange zurück. Als er starb, war sie noch ein Welpe.«
Holland lächelte mitfühlend, als sie ins Wohnzimmer traten. Eine dreiteilige blaue Sitzgruppe stand auf einem pink und lila gemusterten Teppich, und ein Couchtisch mit einer Glasplatte befand sich gegenüber dem offenen Kamin. Ein mit weißen Hundehaaren übersätes und zerknülltes Kordkissen war das Einzige in dem Zimmer, was nicht makellos wirkte.
Holland ging zu der Schrankwand aus Buchenholz, die an der hinteren Wand stand. Ihre Türen waren verspiegelt, und sie war voll gestellt mit Fotorahmen, in denen Kinderfotos steckten.
Mrs. Noble trat neben ihn und nahm ein Foto. »Mark und Sarah sind nicht darunter«, erklärte sie. »Ich hab es nicht ertragen, sie zu sehen und nicht zu wissen, was mit ihnen geschehen ist. Ich räumte sie weg, als ich sicher war, dass sie nicht zurückkommen. Räumte sie weg und vergaß, wohin ich sie geräumt hatte.« Sie hatte wohl den Schrecken über Hollands Gesicht huschen sehen, denn sie legte ihm die Hand auf den Arm. »Machen Sie sich keine Sorgen, Sie haben die Fahrt nicht umsonst gemacht. Letzten Endes fand ich die Bilder in einem alten Hochzeitsfotoalbum Holland nickte erleichtert. Sie drehte das Foto, so dass er es sehen konnte. »David ist Börsenmakler, es geht ihm wirklich gut.« Sie stellte das Bild
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