Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes
die Kapuze, die Waffen …
Er hatte das Messer bereits gewetzt und anschließend damit ein Stück von der Wäscheleine abgeschnitten. Hatte diese aufgerollt und in eine Tasche an der Vorderseite des schwarzen Lederrucksacks gesteckt.
Es war schon komisch, was die Leute so alles in Taschen mit sich rumschleppten. Wer ahnte schon, welche Geheimnisse, welche Einblicke in das Leben anderer herauspurzelten, wenn man ihre Rucksäcke und Aktentaschen ausleerte, ihre Sport- und Reisetaschen? Sicher müsste man sich durch einen Berg von Akten und Mappen, Zeitungen und in Klarsichtfolie gewickelte Sandwiches wühlen, bevor man auf etwas Interessantes stieß. Eine Lösegeldforderung oder eine Erpressung. Gelegentlich vielleicht ein Porno oder ein Paar Handschellen. Und wenn man Glück hatte, fand man die eine unter ungefähr zehntausend Taschen, die eine Pistole oder einen blutverschmierten Hammer oder einen abgetrennten Finger enthielt …
Die Überraschung wäre sicher groß, wenn es sich dabei um die Handtasche einer Frau handelte.
Er lächelte, als er das letzte Teil hineinsteckte und den Gurt festmachte. Wer sich durch die Tasche kramte, die er soeben gepackt hatte, wäre wahrscheinlich nur sehr peinlich berührt.
Thorne betrachtete sich in dem großen Spiegel in seinem Schrank. Er konnte sich nicht entscheiden, ob er das einfache weiße Hemd anbehalten oder doch wieder zu dem blauen Jeanshemd greifen sollte, als die Türglocke ihm die Entscheidung abnahm.
Auf dem Weg zu Tür drehte er die Musik ein kleines bisschen leiser. Nach langem Hin und Her war er zu dem Schluss gekommen, George Jones sei für jede Stimmungslage passend, die heute Abend in Frage kam. Er hatte ein paar der schrulligen Songs aus den Fünfzigern für jetzt ausgewählt, war aber bereit, die zwanzig Jahre jüngeren Billy-Sherill-Sachen hervorzuholen, wenn der Zeitpunkt dafür kam. Es war sicher nie ein romantischerer Song aufgenommen worden als »He Stopped Loving Her Today« …
Eve marschierte mitten ins Zimmer, ließ die Augen zuerst über die Wohnung und dann über Thorne gleiten. »Du wirkst sehr sommerlich«, sagte sie.
Sie trug ein einfaches braunes Baumwollkleid mit einer Knopfreihe. »Du auch«, erwiderte Thorne. Er sah an seinem weißen Hemd hinunter. »Ich hab überlegt, ob ich eine Krawatte anlegen soll …«
Sie trat auf ihn zu. »Meine Güte, wir gehen doch nicht irgendwo schick essen, oder?«
»Nein …«
»Gut. Mir gefällt das Hemd sowieso besser, wenn es oben offen ist …«
Sie küssten sich, und mit jeder Sekunde wurden ihre Hände gieriger. Als Thornes Finger sich am zweiten Knopf ihres Kleides zu schaffen machten, trat Eve lächelnd einen Schritt zurück. »Ich bin zwar keine Anhängerin von wildem Sex mit vollem Bauch«, sagte sie. »Aber etwas könnte ich jetzt durchaus vertragen.«
Thorne lachte. »Gut, ist es für indisch vielleicht etwas zu warm?«
»Indisch passt immer.«
»Da ist ein fantastischer Inder um die Ecke.«
»Klingt perfekt.«
»Und es gibt auch jede Menge tolle Restaurants in Islington oder Camden. Und in Crouch End. Du bist noch gar nicht mit meinem Auto gefahren …«
Eve trat ans Fenster und machte die beiden Knöpfe zu. »Gehen wir hier irgendwohin. Wär ungerecht, wenn nur einer von uns trinken kann.«
»Soll mir recht sein. Ich hol mir noch eine Jacke …«
»Mach dir keine Mühe, wir gehen noch nicht sofort.«
»Nein?«
Eve wandte sich vom Fenster um und rückte ihre Haarspangen zurecht. Ihre Brüste hoben sich gegen das Kleid ab, und Thorne sah die roten Stellen, wo sie sich unter den Armen rasiert hatte. »Ich hab noch was im Wagen«, sagte sie. »Ich brauche deine Hilfe, um es zu holen.«
Erst als Holland auf die Uhr am Armaturenbrett sah, wurde ihm klar, dass bereits zehn Minuten verstrichen waren, seit er vor der Wohnung vorgefahren war.
Es war kurz nach sieben Uhr.
Mindestens zehn Minuten saß er nun hier, die Plastiktüte mit dem Wein in der Hand, und schaffte es nicht, aus dem Wagen zu steigen.
Ein paar Minuten später starrte Holland einen Augenblick lang verwirrt auf die kleinen dunklen Flecken, die auf seiner Hose erschienen. Bis er merkte, dass er weinte. Er hob den Kopf und kniff die Augen zu, der nächste Atemzug endete in einem Seufzer, der ihm im Hals stecken blieb und zu einem Schluchzen gerann.
Eine ganze Reihe von Schluchzern folgte, und jeder einzelne drückte ihm schier das Herz ab.
Er umklammerte die Tüte mit dem Wein, die Flasche eingeklemmt
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