Tom Thorne 04 - Blutzeichen
bekomm bald die Rentnerkarte für den Bus, aber um ehrlich zu sein – ich bin kein Stück besser darin, herauszufinden, was in den Köpfen von Leuten wie Gordon Rooker vorgeht, als an dem Tag, als ich zum ersten Mal in eine Uniform schlüpfte.«
Thorne ließ den Wagen an und fuhr aus der Parklücke. Dabei schweiften seine Gedanken zurück zu dem Schluss ihres Gesprächs mit Rooker. Thorne war beinahe der Atem weggeblieben, als ihm ein weiteres Detail aus Chamberlains Geschichtsvortrag einfiel.
»Wart mal, hat Ryan nicht ein paar Jahre, nachdem das passiert ist, Alison Kelly geheiratet ?« Chamberlain nickte. »Er versucht sie umzubringen, bezahlt jemanden, damit er sie anzündet, macht es vielleicht sogar selbst … und marschiert dann mit ihr vor den Traualtar, sobald sie alt genug ist?«
»Das war das Sahnehäubchen«, sagte Rooker. »Das war ein perfektes Geschäft. Der Erbe heiratet die Tochter, als wolle er ein Bündnis besiegeln.« Er lachte leise, als Thorne ungläubig den Kopf schüttelte, und deutete dann mit dem Kinn Richtung Carol Chamberlain. »Sie kann dir alles über Billy Ryan erzählen. Sie kennt ihn. Sie weiß, wie er ist.«
Chamberlain schwieg dazu.
Rooker sah Thorne durch einen blauen Rauchschleier an. »Billy Ryan ist kalt …«
Sechstes Kapitel
Am Montagvormittag, kurz nach halb elf, steckte Tughan den Kopf durch den Türspalt, ließ seinen Röntgenblick über die in der Einsatzzentrale Anwesenden gleiten und verschwand wieder. Dabei sah er drein, als wäre er in Hundescheiße getreten.
Holland sah auf die Uhr.
Samir Karim wandte sich ihm zu. »Da hat jemand ein Problem«, meinte er.
Holland nickte. Ihm war klar, von wem Karim sprach. DI Yvonne Kitsons Kopf steckte in einem dicken, gebundenen Schriftsatz. »Was lesen Sie, Chefin?«, fragte er sie.
Kitson blickte ihn über den Rand hinweg an und hob die neueste Ausgabe des Murder Investigation Manual hoch. Eine gewichtige Sammlung von Strategien, Modellen und Vorgaben, herausgegeben von der National Crime Faculty. Zumindest theoretisch eine Pflichtlektüre für jeden höherrangigen Ermittlungsbeamten, die alles abdeckte, von der Tatortbewertung über den Umgang mit Medien und Familienangehörigen bis hin zur Täterbeschreibung. Falls es so etwas wie Regeln gab, nach denen die Ermittlung bei Gewaltverbrechen vor sich gehen sollte, dann standen sie da drin.
»Einschlafprobleme?«, fragte Holland.
Kitson lächelte. »Es ist nicht gerade die ideale Ferienlektüre, Dave, aber es schadet nicht, sich über die neuesten Richtlinien auf dem Laufenden zu halten.«
»Pech, dass diese Richtlinien nur dann was bringen, wenn sich die Mörder an die ihren halten.«
»Sie wissen, wie Sie sich anhören?«, entgegnete Kitson.
Das wusste Holland sehr wohl. Vielleicht bestand ja doch noch Hoffnung für ihn. Irgendwie merkwürdig, dass die Leute angefangen hatten, über Tom Thorne zu sprechen, ohne seinen Namen zu erwähnen …
Wie gerufen trat der Mann selbst durch die Tür und schien kaum weniger wütend als Tughan zuvor … und immer noch, wenn man nach dem Gesichtsausdruck ging, mit dem er hinter Thornes Schulter auftauchte.
»Sie haben eine Menge Leute warten lassen, DI Thorne.«
Thorne wandte sich an die im Zimmer Anwesenden, ohne Nick Tughan auch nur eines Blickes zu würdigen. »Es tut mir Leid. Das Auto sprang nicht an …« Wie erwartet entdeckte er den Ansatz eines Grinsens auf Hollands Gesicht. »Und Sie sollten sich ebenfalls zurückhalten, Holland. Ich bin nicht in der Stimmung.«
»Okay, wir haben bereits genug Zeit verschwendet«, sagte Tughan. »Teambesprechung in meinem Zimmer. In fünf Minuten.«
Während Tughan redete, hing Thorne seinen Gedanken nach. Er bekam alles mit, beschäftigte sich aber mit anderem …
Zum Beispiel mit Yvonne Kitson. Er hatte die Ausgabe des Murder Manual gesehen, die Kitson las, als er die Einsatzzentrale betrat. Es entsprach ihr vollkommen, sich ständig auf dem Laufenden zu halten. Sie gehörte zu den Menschen, die Thorne dafür bewunderte, wie sie ihrem Privatleben und ihrem Beruf getreu wurden. Allerdings hatten sich die Ansprüche seit letztem Sommer etwas geändert, nachdem ihr Mann von ihrer Affäre mit einem Vorgesetzten erfahren hatte und mit den drei Kindern ausgezogen war. Inzwischen wohnten die Kinder wieder bei ihr, aber sie war nicht mehr dieselbe. Zuvor war sie mühelos auf der Karriereleiter nach oben geklettert, jetzt hatte sie Mühe, Schritt zu halten. Die Veränderung stand
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