Tom Thorne 04 - Blutzeichen
immer an eine Zielscheibe …«
Thorne hatte genickt, als halte er das für einen großartigen Einfall. Er dachte dabei eher an kreisförmige Wellen in einer schmutzigen Lache. Wie sie zum Beispiel entsteht, wenn ein Stück Scheiße in eine Abwasserkloake fällt.
Aus einer dumpfen Erinnerung wurde er von Richards in eine noch dumpfere Gegenwart gerissen, der über »Fußsoldaten« sprach. Thorne rieb sich die Augen, hielt sich die Hand vor den Mund und flüsterte Sam Karim zu: »Gott, der glaubt, er ist bei den Sopranos …«
»Der Videoladen der Izzigils ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie das funktioniert«, erklärte Richards. »Der Name Zarif taucht im Grundbuch auf und in den Handelskammerunterlagen. Und die Fahrzeuge, mit denen theoretisch die vollkommen legalen Videokassetten ausgefahren werden, sind von ihrer Firma gemietet. Doch es gibt nichts, was sie mit irgendwelchen illegalen Vorgängen dort in Verbindung bringen könnte, und man kann sie nicht dafür verantwortlich machen, was die Leute treiben, die ihre Fahrzeuge mieten.«
Tughan räusperte sich und übernahm. »Es gibt drei Brüder. Wir verteilen die Fotos, sobald wir welche haben.« Er warf einen Blick in seine Unterlagen. »Außerdem noch eine Schwester und wahrscheinlich jede Menge Cousins und Cousinen. Zu diesem Zeitpunkt weiß nicht einmal der NCIS viel über sie. Sie sind türkische Kurden, leben schon einige Zeit hier, fielen bisher nicht auf.« Er blickte von seinem Clipboard auf. »Haben sich etabliert. Geschäfts- und Wohnhäuser in den entsprechenden Lagen, zwischen Manor House und Turnpike Lane.«
Von hinten war eine Stimme zu hören: »Klein-Istanbul …«
Tughan lächelte kurz. »Jetzt, da sie gut im Geschäft sind, scheinen sie expandieren zu wollen. Und das auf Kosten des armen alten Billy Ryan.«
»Dann wollen wir mal etwas Druck ausüben«, sagte Brigstocke. »Schauen wir, wie gut sie im Geschäft sind.«
Tughan stand auf, legte sein Clipboard auf den Schreibtisch und zupfte die Bügelfalten seiner Anzughose zurecht. »Gut. DS Karim, DC Richards, organisieren Sie die weitere Vorgehensweise …«
Nachdem die Besprechung beendet worden war, trat Tughan zu Thornes Überraschung zu ihm und sprach ihn an, als könnten die beiden sich riechen.
»Lust auf einen Besuch bei Billy Ryan?«, fragte Tughan.
»Was ist mit den Zarifs?«
»Damit warten wir noch ein, zwei Tage. Besorgen wir uns zuerst etwas Munition.«
»Gut.«
»Im Augenblick liegen die Ryans vier zu zwei zurück.
Schauen wir mal, wie sie damit zurechtkommen, Prügel zu beziehen.«
Thorne nickte. Momentan hagelte es Überraschungen. Liegen vier zu zwei zurück. Das war ziemlich daneben, andererseits war jeder Witz von Nick Tughan daneben …
Sie sprachen so gut wie kein Wort, als sie in Tughans Rover Richtung Camden Town fuhren. Die Musik war glücklicherweise zu laut für eine Unterhaltung. Die Strecke entsprach mehr oder weniger Thornes Heimweg, südlich durch Hampstead und Belsize Park, durch eine der teuersten Londoner Gegenden, die in eine der wohl trendigsten überging. Auch wenn die bomberbejackte Medienhorde aus Hoxton oder Shoreditch das womöglich anders sah. Sie fuhren an den Neubauten neben Jack Straw’s Castle vorbei, dem alten Gasthaus in der Hampstead Heath, das nach einem der Anführer im Bauernaufstand benannt war und zu den Lieblingswirtshäusern von Dickens und Thackeray zählte. Jetzt trafen sich hier an bestimmten Abenden Schwule, die schnellen und manchmal gefährlichen Sex suchten, in den dunklen Ecken und Nischen, um dann hinaus in den Park zu verschwinden.
Sie parkten vor einem Billardsalon hinter der Camden Road, ein paar Straßen entfernt von Billy Ryans Büro. Thorne war auffallend erleichtert, als er aus Tughans Wagen rauskam. Sosehr sein eigener Musikgeschmack den einen oder anderen vor den Kopf stieß, Phil Collins wünschte er nicht einmal seinem ärgsten Feind. Der Typ kam gleich nach Sting, aalglatt, wie er war. Wenn man die Musik hörte, flehte man auf den Knien zu Gott um Taubheit. Auf dem Weg zu Ryans Büro fragte sich Thorne, ob die Mafiaschläger je darüber nachdachten, ein Phil-Collins-Album einzusetzen, statt ihren Opfern die Zähne zu ziehen oder Kniescheiben zu durchbohren.
Ein Besuch beim Geschäftsführer von Ryan Properties unterschied sich in nichts von einem Besuch bei einem anderen erfolgreichen Geschäftsmann – bis auf die Tatsache, dass der Mann an der Rezeption am Nacken tätowiert war.
»Warten
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