Tom Thorne 10 - Tödlicher Verdacht
die sich von den Braun- und Grautönen der Umgebung abhoben: grüne Farbkleckse in der ansonsten ausgedörrten Landschaft.
Kitson ging an Hollands Telefon. »Dave ist gerade kurz rausgegangen, Tom.«
»Ich hoffe, ihr habt gute Neuigkeiten, Yvonne. Das war bislang kein guter Tag.«
»Sind die Temperaturen etwa unter zwanzig Grad gesunken?«
»Sagen wir mal so: Ich bin drauf und dran, dem nächsten armen Kerl, der mich schräg anschaut, eine reinzuhauen.«
»Wenn du dich anschließend besser fühlst, solltest du das tun.«
»Also, was gibt’s?«
»Chris Talbot«, erwiderte Kitson. »Fünfunddreißig Jahre, etwa vier Monate vor dem Leichenfund im Epping Forest vermisst gemeldet. Richtige Größe, mehr oder weniger dieselbe Statur. Seine Frau – Exfrau, oder wie auch immer – wohnt in Nottingham, deshalb fahren Dave und ich gleich morgen früh rauf. Es sieht gut aus, Tom.«
Nach Thornes Meinung sah es besser als gut aus. »Könnt ihr nicht schon heute Abend hinfahren?«
»Das wollten wir eigentlich, aber sie kommt erst morgen nach Hause.«
»Tja, dann ruf mich bitte an, sobald ihr mit ihr gesprochen habt.«
»Warte mal, das Beste habe ich dir noch gar nicht erzählt. Erinnerst du dich noch, als wir uns darüber unterhalten haben, dass das Opfer jemand sein muss, den Langford aus dem Weg schaffen wollte? An die ›Zwei Fliegen mit einer Klappe‹-Theorie?«
»Ich bin ganz Ohr …«
»Chris Talbot war Polizist«, sagte Kitson. »Organisiertes Verbrechen.«
Achtunddreißigstes Kapitel
Nach Anbruch der Dunkelheit war der Hauch von Optimismus, den Thorne nach dem Gespräch mit Kitson gespürt hatte, wieder verflogen. Als er in seinem Hotelzimmer saß und der inzwischen vertraute Klang von Trompeten und Applaus vom Stadtplatz an sein Ohr drang, fühlte er sich ruhelos und seltsam isoliert. Er konnte sich nicht entscheiden, ob ihm Betätigung oder Gesellschaft fehlte.
Er zappte sich durch die Fernsehkanäle, doch es war noch zu früh, um sich von Pornografie ablenken zu lassen. Deshalb nahm er seinen Thriller vom Nachttisch, las die ersten paar Seiten und legte ihn dann wieder weg.
Der fiktionale Detective war einfach viel zu jämmerlich.
Er rief Samarez an und fragte ihn, ob er mit ihm zu Abend essen wolle. Samarez wohnte eine gute Stunde entfernt auf der anderen Seite von Málaga und sagte, es sei zu umständlich für ihn, zu Thorne zu kommen. Außerdem koche seine Frau. Thorne erwiderte, dass das nach einem wesentlich attraktiveren Angebot klinge.
Dann rief er Phil Hendricks an.
»Hast du schon meinen Sombrero gekauft?«, wollte Hendricks wissen. »Ich möchte einen richtig großen, protzigen, okay? Außerdem möchte ich eins von diesen Stierkampf-Plakaten mit meinem Namen darauf.«
»Überhaupt kein Problem. Ich habe hier schließlich nichts zu tun.«
»Lass einfach ›El Magnífico‹ draufschreiben.«
»Ich dachte eher an ›El Schwulo‹ «, entgegnete Thorne.
»Ja, das tut’s auch.«
Das Gespräch heiterte Thorne auf, allerdings nur ein wenig. »Ich bin hier total überfordert, Phil.«
»Das sind doch nur Spanier, Herrgott noch mal.«
»Ich meine doch nicht Spanien , du Idiot. Der Fall. Langford …«
Thorne erzählte ihm von seinem Treffen in Ronda. Er war es gewöhnt, dass Kriminelle ihm die Stirn boten. Manchmal war das die einzige Option, die ihnen noch blieb. Doch Langford hatte völlig selbstsicher und entspannt gewirkt – sogar dann, als Thorne seine Gefühle über den Mord an Anna Carpenter deutlich gemacht hatte.
Thorne war derjenige gewesen, der aufgewühlt gegangen war.
»Übermütig ist gut«, sagte Hendricks. »Die Übermütigen bauen irgendwann Scheiße.«
»Solange ich nicht als Erster Scheiße baue.«
»Es kann nicht schaden, ein bisschen … nervös zu sein, okay?«
»Selbst wenn sich herausstellt, dass dieser vermisste Polizist unsere mysteriöse Leiche ist, bin ich mir nicht sicher, ob uns das weiterbringt.«
»Keine Sorge, das wird schon klappen, mein Freund.«
»Hoffentlich.«
»Ich finde, du hättest dir das verdient.«
»Nach Adam Chambers, meinst du?«
»Hör mal, Tom. Langford ist derjenige, der überfordert ist, weil er dich nicht kennt . Wenn er dich kennen würde, käme er nicht auf die Idee, dass er dich verarschen kann und damit davonkommt.«
Thorne knurrte unverbindlich. Betete, dass sein Freund recht hatte.
»Hörst du mir zu?«
»Ja …«
»Es liegt nicht nur an dem Fall, oder?«
Die Musik wurde lauter, und eine Glocke begann zu läuten,
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