Tony Mendez 01 - Schwärzer als der Tod
mein Lieber. Es geht doch nichts über einen Exmarine.«
»Du willst seinen Mentor spielen.«
»Er hat mir versprochen, mich zum Hochseeangeln mitzunehmen.«
»Das werde ich nie beim Chef durchkriegen. Er wird dir sagen, dass du jederzeit Seminare geben kannst, wenn du jemandem was beibringen willst.«
»Dann mach ich es eben in meiner Freizeit. Ich bin ohnehin noch krankgeschrieben. Abgesehen davon ist da ja der Schnurrbart …«
»Dann gibt es aber auch keine Spesen, kein Hotelzimmer, nichts.«
»Nancy wird mir bestimmt für einen Monat den Unterhalt erlassen. Sie hat ein schlechtes Gewissen.«
»Wenn sie sich nicht hätte scheiden lassen, dann wärst du nicht in den Kopf geschossen worden, oder was?«
»Sie ist eben allmächtig.«
Einen Moment lang schwiegen sie. Sein Freund seufzte. Vince seufzte.
»Hör zu, John, du weißt, was es für mich bedeutet, vor Ort zu arbeiten. Ich komme nicht klar damit, nur aus der Ferne an einem Fall beteiligt zu sein, aus dieser Gruft heraus, das ist mir zu abstrakt. Was ich den Leuten beibringen möchte, ist ein direkter, praktischer Umgang mit unserer Arbeit, das fällt einigen einfach leichter. Wenn ich in Kalifornien irgendwie dabei helfen kann, das Schwein zu fassen, bevor er der nächste Ted Bundy wird, und dabei gleichzeitig auch noch einen neuen Agent heranziehe, warum nicht?«
Warum nicht? Weil das FBI einen Haufen Regeln und Vorschriften hatte und »warum nicht« nicht als ausreichender Grund dafür galt, dass einer der Agents sich in Bewegung setzte. »Warum nicht« würde über die Schreibtische von stellvertretenden Abteilungsleitern, Abteilungsleitern und einem halben Dutzend Komitees bis zum allerobersten Chef wandern müssen. Das würde nicht mehr zu seinen Lebzeiten geschehen.
Es klopfte, und eine Sekretärin steckte den Kopf durch die Tür.
»Tut mir leid zu stören, aber auf Leitung zwei ist ein dringender Anruf für Special Agent Leone.«
Vince ging zu dem Telefon neben der Kaffeemaschine und hörte zu, dann legte er eine Hand auf die Sprechmuschel und drehte sich zu seinem Freund. »Sie haben gerade das Opfer von gestern identifiziert. Inzwischen wird eine weitere Frau vermisst, beide stehen mit einem Frauenhaus dort in Verbindung.«
Sein alter Freund zuckte die Achseln und lächelte. »Geh mit Gott, mein Freund.«
15
»Sagt Ihnen der Name Julie Paulson etwas, Ms Thomas?«
Sie hatten sich in das Hinterbliebenenzimmer des Bestattungsinstituts zurückgezogen. An den Fenstern hingen schwere Vorhänge, und der Raum roch durchdringend nach Lilien und Gladiolen. Jane Thomas hatte sich in einer Ecke des mit dunkelrotem Samt bezogenen Sofas niedergelassen. Sie war totenblass, und man sah ihr die tiefe Erschütterung über den Tod von Lisa Warwick an.
In Mendez’ Kopf hatten sämtliche Alarmglocken geschrillt, als ihm klar wurde, dass sie es mit einer Toten und einer Vermissten zu tun hatten, die beide in Verbindung zum Thomas Center for Women standen. Eine Millionen Fragen lagen ihm auf der Zunge, aber Jane Thomas war dem Zusammenbruch nahe, und er musste etwas Geduld haben. Das gehörte nicht zu seinen starken Seiten.
Jane sah ihn verwirrt an. »Nein. Wer ist das? Gibt es einen Grund, warum ich sie kennen sollte?«
»Sie war nie im Thomas Center untergebracht? Oder hat für Sie gearbeitet?«
»Nicht dass ich wüsste. Was hat sie zu tun mit…?« Sie drehte den Kopf zum Kühlraum, bekam aber den Namen des Opfers nicht über die Lippen.
»O nein«, flüsterte sie und erschauerte. »Karly. Sie glauben, dass sie bei dem - bei diesem Tier ist, das Lisa so zugerichtet hat, oder?«
Cal Dixon legte ihr beruhigend die Hand aufs Knie. Im Geiste hob Mendez eine Augenbraue.
»Jane«, sagte Dixon sanft. »Es besteht die Möglichkeit, dass Karly bei einer Freundin oder Bekannten ist. Wahrscheinlich ist sie nur…«
Jane Thomas riss sich zusammen und straffte die Schultern. »Hör auf, mich wie ein Kind zu behandeln. Darüber haben wir doch schon gesprochen. Karly ist nicht nur einfach irgendwohin verschwunden.«
»Ms Thomas?« Mendez versuchte, ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. Er ärgerte sich darüber, dass sein Chef die sachliche Ebene verlassen hatte. »Man hat Julie Paulson im April letzten Jahres unweit der Stadt ermordet aufgefunden. Ich frage mich, ob sie in Verbindung mit dem Center gestanden haben könnte.«
»April 84? Da war ich längere Zeit in Europa. Meine Eltern besitzen einen Rennstall. Ihr bestes Pferd lief Rennen in
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