Top Secret - Der Ausbruch
Arm.
Nach allem, was James und Lauren durchgemacht hatten, wirkte die Szene vor ihren Augen geradezu desillusionierend: ein ruhiger Parkplatz mit drei Polizisten und zwei Verdächtigen, die brav in Handschellen auf dem Rücksitz eines Wagens saßen, und einem Bewusstlosen am Boden. Als der Hotelmanager aus der Rezeption kam, sah er so resigniert aus, als hätte er das alles schon zu oft gesehen.
»Geht es dir gut?«, fragte James und zog seine ziemlich traurig aussehende kleine Schwester enger an sich.
»Mir tut noch der Bauch weh von vorhin«, erklärte sie. »Es ist nur alles irgendwie enttäuschend.«
James sah sie verständnislos an. »Wir haben Jane Oxford erwischt. Was willst du mehr?«
»Ich weiß nicht … Vielleicht habe ich eine große Schießerei erwartet oder so.«
»Du stehst wohl auf Blut und Gewalt, was?« James lachte. »Hubschrauber, die uns mit Maschinengewehren die Straße entlangjagen, und Zigarren qualmende Söldner mit Munitionsketten um den Hals?«
»Ja«, kicherte Lauren. »Und am Ende kommen wir zu Jane Oxfords Versteck in den Bergen, wo die ganzen gestohlenen Waffen liegen, und blasen sie
in die Luft. In der letzten Sekunde springen wir aus dem Weg, wenn ein gigantischer Feuerball aus dem Eingang einer Höhle schießt.«
James nickte. »Und ich rette einen Haufen hei - ßer Cheerleader, die Jane als Geiseln gefangen hält. Die beiden hübschesten geben mir ihre Telefonnummern …«
»Typisch«, meinte Lauren, »und meine Frisur sitzt natürlich die ganze Zeit über perfekt.«
»Ich wünschte, wir würden im Film leben«, seufzte James, und sein Grinsen verschwand. »Aber im Ernst, eigentlich zählt nur, dass wir Jane Oxford erwischt haben, ohne dass irgendjemand von den Guten verletzt worden ist.«
Lauren nickte. »Meinst du, man wird jetzt, wo man sie gefangen hat, die ganzen Waffen finden?«
»Hoffentlich«, erwiderte James. »Wir haben unseren Teil erledigt. Ich freue mich darauf, nach Hause zu kommen und mich auszuruhen. Kerry müsste mittlerweile wieder zurück sein.«
»Wirst du ihr von Becky erzählen?«
»Nicht wenn es nicht sein muss. Du kennst doch ihr Temperament. Sie würde mir die Beine brechen.«
»Oh«, machte Lauren.
James klang besorgt. »Du wirst mir doch nicht alles kaputt machen, indem du mich verpetzt, oder?«
»Wahrscheinlich nicht«, seufzte Lauren. »Schließlich bist du mein Bruder. Trotzdem halte ich dich für
einen Mistkerl. Du verdienst eine so nette Freundin wie Kerry gar nicht.«
33
Nach zwanzig Stunden in Autos, Flugzeugen, Flughafenterminals, einem Zug in die Stadt und einer Fahrt im Minibus zum Campus war James erledigt. Seine Gelenke taten weh, als ob jeder Tropfen Flüssigkeit aus seinem Körper gesaugt und durch Kaugummi ersetzt worden wäre, und er war so müde, dass sich seine Augen wie Bleikugeln anfühlten.
Lauren machte es noch schlimmer. Sie zog ihre übliche Nummer ab und schlief mühelos ein, während sich James in seinem Sitz in der Economyclass wand und zwei entsetzliche romantische Komödien durchlitt.
Es war schon nach Mittag, als sie auf dem CHERUB-Gelände ankamen. James ignorierte Laurens dringende Bitten, ihr beim Auspacken der Kisten zu helfen, die sich seit über einem Monat in ihrem neuen Zimmer stapelten. Er ging in sein Zimmer, zog sich bis auf die Unterhose aus, kroch unter die Bettdecke und war in zwei Minuten eingeschlafen.
Etwa vier Stunden später wachte er auf, weil ihm jemand mit schmutzigen Fingern über die Wange strich.
»Ich dachte, ich wecke dich besser jetzt auf«, sagte Kerry leise, als sie sich auf seine Bettkante setzte. »Wenn du jetzt zu lange schläfst, bist du heute Nacht nicht müde und hast morgen immer noch einen Jetlag.«
James setzte sich gähnend auf. »Wie spät ist es denn?«
»Viertel vor fünf. Ich komme gerade vom Footballtraining.«
James rieb sich die Augen und musste unwillkürlich lächeln, als er seine Freundin nach fast drei Monaten zum ersten Mal richtig ansah. Kerry war ein Stück erwachsener geworden und James fand sie trotz der Schienbeinschoner und der Dreckstreifen an den Beinen wunderschön. Er neigte sich vor und sie tauschten einen langen Kuss.
»Ich bin ganz verschwitzt«, sagte Kerry, als sie ihn schließlich von sich schob.
»Mir egal«, meinte James und rückte wieder näher. »Ich mag deinen Geruch.«
»Na, ich mag deinen weniger«, widersprach Kerry leicht gereizt. »Du riechst nach diesem grässlichen Raumspray, das sie in Flugzeugen
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