Topas
auslösen, bei dem
Frankreich, ohne gefragt zu werden, vernichtet werden kann. Wir
müssen alle dankbar sein, daß im Elysee-Palast La Croix
sitzt. Bei Gott, er hat ihnen mit seiner Forderung nach dem
Goldumtausch schön eins übergebraten.«
Guy de Crecy war das,
was man einen Diplomaten durch und durch nennen könnte, der zu
keiner Frage einen ausgeprägten Standpunkt vertrat. Und so
fand sich, abgesehen von Nicole, die sich wohlweislich still
verhielt, in diesem Raum kein Streiter, der für die
beschimpften Amerikaner eingetreten wäre.
Sie trank ihren
Champagner, ein paar Glas zuviel, und unterdrückte die
Versuchung, eine von jenen spitzen Bemerkungen fallenzulassen, die
Andre für solche Fälle bereithielt, einfach um den
blöden Ausdruck auf ihren Gesichtern zu sehen. Insbesondere
Jarre benötigte jemanden, der ihm über den Mund
fuhr.
Wie merkwürdig,
daß sie hier an diesem Ort Andres Ansichten völlig
teilte! Es ärgerte sie. Es ärgerte sie auch, daß
sie Washington haßte und trotzdem in Paris oder Montrichard
nicht glücklich war.
Guy de Crecys
Aufmerksamkeit tat Nicole wohl. Während die anderen um ihn
herum sich erhitzten, blieben seine Gesten und sein Benehmen
kultiviert - er sprach ruhig und höflich und wählte seine
Worte sorgfältig.
Erfreulicherweise
setzte Paulette Granville sie bei Tisch nebeneinander, und die
Sympathie zwischen ihnen wuchs. Mit einem angedeuteten
Lächeln, einer sie streifenden Berührung oder einem auf
ihr ruhenden Blick gab er Nicole zu verstehen, daß ihn ihre
Nähe nicht gleichgültig ließ.
Irrte sie sich, oder
spielte er das unmerkliche Spiel der Verführung? Nicole
errötete, als sie sich in Gedanken diese Frage stellte. Oder
ist er nur höflich? Wie, wenn ich mich irrte und einen Korb
bekäme? Die Worte ,Korb bekäme' ließen sie nicht
mehr los. Bin ich noch begehrenswert genug für ihn? Ich bin es
nicht… ich bin zu alt…
»Noch etwas
Wein?«
»Ja,
bitte.«
Himmel nein, dachte
sie. Benimm dich nicht wie eine Amerikanerin, rechtfertige dich
nicht mit Hilfe des Alkohols!
Sie besann sich eines
Besseren und hielt ihr Glas zu.
Als sie im Auto
heimfuhren, ergriff Guy de Crecy mit beiden Händen auf die
unschuldigste Weise ihre Hand und sprach davon, wie nett der Abend
gewesen sei und wie sehr er Granville danke, daß er ihm den
kurzen Aufenthalt so angenehm mache.
Dieses Spiel und die
Art, wie sie es spielten, war keine Verführungsszene.
Gewaltanwendung vor der Haustür oder Liebesschwüre waren
etwas für Kinder. Am Ende würde Nicole die Entscheidung
treffen müssen. Und wer das Spiel so gut spielte wie Guy de
Crecy, hatte sich und seinen Fall mit großem Charme
präsentiert und würde nun auf ein Zeichen von ihr warten
müssen.
Auch Nicole hatte das
Spiel bis zu einem gewissen Punkt mitgespielt. Sie spielte mit,
solange es niemanden verletzte. Schon andere hatten, so wie Guy de
Crecy jetzt, auf ein Zeichen von ihr gewartet. Sie hatte es nie
gegeben, denn Nicole begehrte und brauchte niemand anderen als
ihren Mann.
Der Wagen hielt in der
Rue de Rennes 176. Der Chauffeur ging um das Auto herum und
öffnete die Fondtür.
»Vielen Dank
für den reizenden Abend«, plapperte sie nichtssagend,
als sei sie verlegen und ihrer Worte nicht recht mächtig. De
Crecy zeigte sich in keiner Weise verstimmt, als sie zur Tür
gingen. Nicole übergab ihm den Hausschlüssel, wich aber
seinem Blick aus. Er schloß die Tür auf und öffnete
sie. Nicole gab ihm die Hand.
»Bitte,
verzeihen Sie mir«, sagte sie.
»Ich verstehe
Sie sehr gut, Madame Devereaux«, erwiderte er,
küßte ihre Hand und ging.
Nicole machte die
Wohnungstür hinter sich zu und lehnte sich erregt atmend
dagegen. Sie nahm langsam ihren Umhang ab und ließ ihn
über eine Stuhllehne fallen. Die Wohnung war entsetzlich
still. Als sie den Motor anspringen und das Auto davonfahren
hörte, verwünschte sie ihren Entschluß. Sie ging
über den Flur in das leere Schlafzimmer … mit dem
leeren Bett. Sie setzte sich vor den Ankleidespiegel, betrachtete
sich lange wie durch einen Schleier und sah in dem Dämmerlicht
eine unscharfe fremde Gestalt. Und Tränen rannen über ihr
Gesicht, bis sie keine mehr hatte.
54
Durchnäßt
vom strömenden Regen, betrat Jacques Granville Nicoles
Wohnung. Erst zwei Straßen weiter hatte er einen Parkplatz
gefunden.
»Mein
Armer«, sagte Nicole, nahm ihm den Mantel ab und hängte
ihn zum Trocknen über den Heizkörper im Flur.
Jacques rieb sich die
eiskalten Hände,
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