Topas
Washington herausholen … lebend?« fragte sie
bitter.
»Andre hat
überall in der Regierung Freunde. Er genießt beinahe den
Ruf eines Heiligen. Ich habe mich umgehört. Wir können
ihn auf ehrenvolle Weise herausholen.«
»Ich würde
alles dafür geben«, sagte Nicole leise.
»In Kürze
wird ein Botschafterposten frei. Wenn er will, bekommt er
ihn.«
»Wo?«
fragte sie unsicher.
»Ein
bißchen weit weg, aber sehr angenehm. Und vor allem ist es
dort friedlich. Neuseeland.«
Nicole wandte sich um
und barg das Gesicht in den Händen, faßte sich aber
schnell und hielt die Tränen zurück.
»Du mußt
mir helfen, ihn zu überreden«, sagte Jacques.
»Ich weiß
ja nicht einmal, ob ich noch einen Ehemann habe. Andre und ich
haben uns entzweit.«
»Er kehrt
bestimmt zu dir zurück«, sagte Jacques ruhig.
»Wahrscheinlich
hat er eine andere.«
»Ich kenne doch
meinen Andre«, sagte Jacques, »er ist kein Granville.
Er wird zurückkommen.«
Nicole beruhigte sich
und wandte sich wieder ihren Essensvorbereitungen zu. Jacques
schenkte sich neu ein und sah sie dann lange und eindringlich an.
»Ich bin froh, daß es regnet«, sagte er.
»Und ich bin froh, daß Michele heute nicht mehr
heimkommt, und ich bin froh, daß Paulette in der Normandie
ist. Mein Leben lang bin ich nichts anderes als ein Schuft gewesen,
und ich werde mich nicht ausgerechnet in diesem Augenblick
ändern. Nicole, ich möchte mit dir ins Bett
gehen.«
Sie nahm es gelassen
auf, lächelte dann und zwickte ihn in die Nase. »Was
willst du nach vier hübschen jungen Frauen mit einem alten
Mädchen wie mir noch anfangen? Ich weiß, du sagst das
nur, um mich zu trösten, und ich fühle mich sehr
geschmeichelt.«
»Nein, zum
Teufel, ich habe schon von jeher etwas für dich übrig
gehabt. Zwanzig Jahre lang habe ich mich korrekt benommen, aber
unter den gegenwärtigen Umständen
…«
»Jacques
… ich glaube wirklich, du meinst es ernst.«
»Ich möchte
mit dir schlafen, Nicole. Du kannst ablehnen, aber du darfst nicht
denken, es sei ein Scherz.«
Der Mann vor ihr war
viel zu hübsch und viel zu sympathisch. Er war ein
ausgemachter Lebemann, und sie war sicher, daß ihr Name in
der endlosen Liste seiner Geliebten bald vergessen sein würde.
Sie legte ihm den Arm um den Nacken und küßte ihn.
Früher oder später würde sie den Preis dafür
bezahlen müssen, doch für den Augenblick meisterte sie
die Situation diskret und charmant.
55
Einige Tage nach
seiner Rückkehr aus Kuba hatte sich Andre eingehend mit den
Aussagen Kuznetows vertraut gemacht und war bereit, den
entscheidenden Enthüllungen beizuwohnen.
Vor dem Verhör
bat Boris Kuznetow um eine Unterredung mit Andre unter vier Augen,
und man rollte ihn in ein kleines, ruhiges
Bürozimmer.
»Hallo«,
begrüßte ihn Andre, »Sie sehen viel besser aus als
das letztemal.«
»Ich wollte, ich
könnte Ihnen das Kompliment zurückgeben«, erwiderte
der Russe. »Es scheint, als hätten Sie eine schwere
Reise hinter sich.«
»Das kann man
wohl sagen.«
»Die Vorstellung
eines Lebens nach dem Tode ist zwar ein holder Schwindel, doch
gäbe es eins, dann würden wir uns wohl beide ein anderes
Arbeitsgebiet aussuchen.«
»Darf ich
rauchen?«
»Bitte.«
»Haben Sie die
bisherigen Verhörprotokolle durchgelesen?«
»Ja.«
Der fröhliche
Ton, den Kuznetow in den Wochen seines Verhörs angenommen
hatte, verschwand plötzlich, und er war wieder der gleiche
angsterfüllte Mann wie in den Tagen nach seinem
Übertritt.
»Ich wollte
allein mit Ihnen sprechen«, sagte er mit aufflackernder
Verzweiflung. »Sagen Sie mir offen und ehrlich, werden die
Amerikaner die Abmachung mit mir einhalten?«
»Haben Sie einen
Grund, das Gegenteil zu vermuten?«
»Nein, keinen
konkreten. Aber andererseits habe ich ihnen bis jetzt noch nicht
viel Wertvolles erzählt.«
»Ich
persönlich habe nie erlebt, daß Michael Nordstrom sein
Wort bricht.«
»Von Nordstroms
guten Absichten bin ich überzeugt«, antwortete Kuznetow,
»aber er hat nicht das letzte Wort. Angenommen, sie
ändern ihre Taktik, oder angenommen, ein Vorgesetzter macht
einen Rückzieher. An wen soll ich mich wenden, wenn Nordstrom
sich plötzlich nicht durchsetzen kann? Was ist, wenn sie
beschließen, mich loszuwerden?«
»Sie wissen doch
verdammt gut, daß sie diese Tour mit Ihnen nicht machen.
Sehen Sie, Kuznetow… Boris … Ihre Furcht ist
verständlich, aber Sie haben nun mal einen Handel geschlossen,
und nun müssen Sie die Sache durchstehen
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