TOPMODEL, ZUM STERBEN SCHÖN
unbedingt die Nummer eins bei ‚Model Inc.‘ werden. Und dafür geht sie über Leichen. Sie hasst jede Konkurrentin und versucht, sie mit fiesen Sprüchen einzuschüchtern. Sieh es so: Eigentlich hat sie dir gerade ein Kompliment gemacht. Sie findet dich schön und hat Angst, du könntest ihr die Jobs wegschnappen.“
„Du hast gut reden.“ Zoe spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Mit Bosheit hatte sie noch nie umgehen können. Und wie sollte sie das Prada-Shooting meistern, wenn sie bei jeder Kleinigkeit die Beherrschung verlor? Allein, weit weg von ihrer Mutter und ihren Freunden fühlte sie sich sehr verletzlich.
„Nicht doch.“ Phoebe nahm sie in den Arm. „Keine Tränen! Nicht wegen Jackie! Komm, ich bring dich in dein Zimmer.“
„Normalerweise weine ich nicht so schnell. Aber …“ Zoe brach ab und schluckte hart.
„Hey, du musst dich nicht entschuldigen. Ich habe die erste Woche in New York auch Rotz und Wasser geheult. Und das, ohne dass Jackie mir doof gekommen wäre. Ich habe mein altes Leben in unserem Dorf in Mississippi vermisst und mich total einsam und überfordert gefühlt. Das vergeht. Glaub mir. Und wenn es ganz schlimm wird, kannst du immer zu mir kommen. Okay?“
„Danke, du bist echt nett.“
„Ach, Quatsch! Ich bin nur froh, dass endlich jemand Sympathisches hier einzieht, und ich mich nicht mehr mit Jackie abgeben muss.“
„Hat sie dich auch so fertiggemacht?“
„Sie hat’s versucht.“
„Und?“
Phoebe lächelte verschmitzt und ballte die Hand zur Faust. „Ich habe ihr Prügel angedroht.“
Zoe lachte. „Das wirkt?“
„Und wie! Jackie hat vor nichts mehr Angst, als dass sie sich die Optik ruiniert.“
Erleichtert stellte Zoe ihre Reisetasche ab. Jetzt waren ihre Tränen wieder fort.
„Lass uns von was anderem reden. Jackie ist keinen zweiten Gedanken wert. Sieh dir lieber dein neues Reich an!“
Kurz darauf stieß Phoebe die Tür zu Zoes Zimmer auf – einem Traum aus dezentem Rosa und Weiß.
„David weiß, wovon Mädchen träumen!“, rief Zoe und sprang auf das romantische Himmelbett.
„Allerdings“, erwiderte Phoebe und warf sich neben sie auf die weiche Tagesdecke. „Aber alles hat seinen Preis. David verwöhnt uns. Doch dafür erwartet er Höchstleistungen. Und wenn du nicht spurst …“ Phoebe schnippte mit den Fingern. „… bist du von heute auf morgen weg.“
Sie lachte. „Ach, Zoe, jetzt guck nicht so entsetzt! Du schaffst das schon. Pass auf! Ich verrate dir, wie es bei ‚Model Inc.‘ läuft …“
Phoebe stützte die Ellenbogen auf und sah Zoe ernst an. „Also, ich erkläre dir jetzt Dos und Don’ts von ‚Model Inc.‘“
Erst als Zoe den Löffel in die Müslischale gelegt hatte, fuhr Phoebe fort: „Erstens: David erwartet Disziplin. Das heißt, wir müssen unser Gewicht halten und auf unsere Ernährung achten. Sport treiben.“
Sie lächelte. „Das bedeutet: Ausgehen ja, ausflippen nein! Ein ‚Model Inc.‘-Girl sollen die Leser auf dem Cover einer Zeitung, nicht in den Klatschspalten sehen – außer es ist der Agentur zuträglich. So sagt David es immer.“
Zoe lächelte. „Klingt nachvollziehbar.“
„Gut. Zweitens ist Pünktlichkeit bei Terminen ein unabdingliches Muss, genauso wie gutes Benehmen und freundliches Auftreten. Egal wie schlecht du gelaunt bist, auf dem Laufsteg oder beim Shooting musst du lächeln.“
Obwohl Zoe nicht sicher war, ob ihr das gelingen würde, hielt sie Phoebes eindringlichem Blick stand.
„Drittens: Gemacht wird, was David sagt. Wenn er entscheidet, dass dein Look zu langweilig ist, wird dein Aussehen nach seinem Gutdünken geändert. Widerworte gegen eine Kurzhaarfrisur oder ein komplett anderes Styling duldet er nicht.“
„Okay.“ Zoe stand auf, stellte das Geschirr in die Spüle und ging ins Bad.
Als sie vor dem Spiegel stand, bereitete sie sich innerlich auf ihren ersten Auftrag vor. Und während sie sich anzog, dachte sie an die Telefonate, die sie am vorherigen Abend mit ihrer Mom und ihren Freunden geführt hatte. Sie hatten ihr Mut zugesprochen und sie wieder aufgebaut. Nachdem Zoe ihrer Mutter von dem Gespräch mit Jackie erzählt hatte, hatte ihre Mutter ihr eingeschärft, sich nicht schikanieren zu lassen. Sie sollte sich wehren. Aber wenn ihr die arroganten Model-Miezen – Zoe musste lächeln, als sie sich an die Formulierung ihrer Mutter erinnerte – zu viel wurden, könnte sie jederzeit nach Hause zurückkehren. Ihre Mom hatte bestimmt fünfmal gesagt,
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