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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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offensichtlich in Kontakt mit Cezlav, der bei den anderen Russen saß. Soeben empfing die Kleine eine Botschaft von ihm.
    Ravenna strengte sich an, um den wilden Ausschlägen zu folgen. Das dritte Auge hatte sie schon eine ganze Weile nicht mehr benutzt. Es schmerzte, wenn Beliar in der Nähe war. So, wie er von ihr eine Narbe auf der Stirn trug, besaß auch sie ein Andenken an ihren letzten Kampf. Doch was versuchte Cezlav zu sagen? Der Zeiger raste zwischen zwei Runen hin und her, den Zeichen für Ruin und Transition.
    Hoppla!, dachte Ravenna. »Sie sind nicht gerne hier«, rief sie und zog die Augenbinde ab. Triumphierend schwenkte sie das Tuch, als die Strahler sie erfassten. Für einen Augenblick sah sie nichts als weißes Licht.
    »Das will Cezlav dem Medium sagen: Er und seine Freunde sind unglücklich in Paris und würden liebend gerne wieder nach Sankt Petersburg zurückkehren. Deshalb Transition. Es geht um einen Durchgang, um eine Pforte. Aber sie hat sich geschlossen, und Cezlav und seine Freunde sitzen hier fest.«
    Die Hälfte davon war blind geraten. Zusammengewürfelt aus dem, was Vadym ihr während der Werbepause erzählt hatte. Er und die anderen Russen aus Sankt Petersburg waren auf der Suche nach einer Bleibe. So etwas tat man nicht, wenn man auf der Durchreise war. Und er hatte über die Tore Bescheid gewusst. Sie würde den Hauptgewinn des WizzQuizz dafür verwetten, dass die Gruppe aus einer anderen Zeit in die Gegenwart getreten war – um die Jahrhundertwende, schätzte sie. Fin de Siècle. Dekadente Dandys waren sie, allesamt. Kreaturen des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts.
    Wütend riss sich nun auch Vadym das Tuch von den Augen. »Das ist richtig!«, schrie er. »Paris ist grässlich! Es ist zu cheiß, es ist zu chell, es ist zu teuer, und wir werden ständig gestört, wenn wir unseren Geschäften nachgehen.«
    Ravenna wollte lieber nicht fragen, worin diese Geschäfte bestanden. »Tja«, lachte sie. »Deshalb bekomme ich diesen Punkt.«
    Gelächter. Applaus brandete auf, freundlicher Applaus, der diesmal ihr galt. Sie hatte das Publikum gut unterhalten. Die Zuschauer kamen auf ihre Kosten. Schließlich ging es nur darum. Ravenna verbeugte sich.
    »Schlau gelöst«, rief Beliar. Er ließ sich nicht anmerken, ob ihm ihr Vorsprung passte. »Mal sehen, ob es Ravenna auch bei der letzten Herausforderung des heutigen Abends gelingt, unseren Favoriten zu schlagen. Meine Damen und Herren, wir kommen nun zum Abschluss dieses spannenden Zweikampfs! Die alles entscheidende Aufgabe lautet: Wählen Sie jeweils eine Person aus dem Publikum, die Sie dann gegen einen magischen Angriff verteidigen.«
    Ein überraschtes Raunen schwoll im Saal an. Im letzten Block des WizzQuizz ging es zwar immer um praktisch angewandte Magie. Doch meist wurden Aufgaben gestellt, die einen gewissen Showeffekt ermöglichten – harmlos und zugleich spektakulär. Selten forderte der Moderator ein Duell der Kandidaten.
    »Ich wähle das Mädchen da oben.« Ravenna deutete auf die rothaarige Hexe in der letzten Reihe, die ihr schon die ganze Zeit über durch ihr übertriebenes Geklatsche und Gehopse auf die Nerven gegangen war. Die Rockerin war offensichtlich ein großer Fan der Show. Schon allein deshalb würde der Sender hübsch sachte mit ihr umspringen. Schließlich wollte das WizzQuizz keine Zuschauer verlieren.
    Vadym streckte den Arm aus und zeigte mit seinem gekrümmten Fingernagel an ihr vorbei. »Und ich nehme ihn hier«, säuselte er. Ravennas Herz machte einen Satz, und sie fuhr herum.
    Ihr Gegenspieler wählte Lucian.
    Einen Moment lang wurde Ravenna schlecht vor Wut. Dann sah sie, wie Lucian aufstand. Das war abgesprochen – ganz sicher war es das! Eine Abmachung zwischen Vadym und Beliar, um beim Endspurt zu testen, wie weit sie tatsächlich gehen würde. Warum hatte sie denn nicht sofort an ihn gedacht?
    »Das war’s. Ich höre auf«, sagte sie, aber niemand reagierte auf ihren Einwurf. Alle Augen waren auf die beiden Auserwählten gerichtet. Beliar ging ihnen entgegen. Zwei grelle Lichtkegel und ein dramatischer Trommelwirbel begleiteten Lucian und die Rothaarige auf ihrem Weg durch den Saal.
    »Schluss damit!«, rief Ravenna. »Ich breche das Quiz an dieser Stelle ab!«
    Der Techniker hastete zu ihr herüber. Er murmelte eine Entschuldigung, als er an ihrem Kopfbügel zog und die Anschlüsse des Mikrofons überprüfte.
    »Was ist? Was ist denn los?«, herrschte sie ihn an.
    »Sie haben keinen Ton«,

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