Tore nach Thulien 3 : Ferner Donner (German Edition)
hier in dieser Einöde zu suchen hatten. Schon seit Jahren kamen kaum mehr Waren über den Kuttensteig ins Leuenburger Becken und das Wenige erreichte oftmals gar nicht mehr die alte Herzogstadt. Warum also hier eine Garnison von hundert Mann samt Familien und Bediensteten unterbringen? Matruk verstand es nicht, und wieder einmal war er der Meinung, dass die hohen Herren wohl selbst nicht wussten, was sie taten. Ausbaden durfte es sowieso der kleine Mann. Wie eigentlich immer. Aber sollten die Herrschaften nur machen. Er hatte seine Lehren daraus gezogen und tat es ihnen gleich. Warum anders handeln, wenn es einem die eigenen Vorgesetzten nicht besser vorzuleben wussten. Der Offizier sollte ein Vorbild sein, ein Licht der Herrin im Dunkel der Welt. Welch blanker Hohn in leeren Worten. Aber nicht mit ihm, nicht mit Matruk. Heute Nacht würde er ein Exempel statuieren, und Gnade dem die Herrin, der ihm dafür Recht sein sollte.
Äußerst schlecht gelaunt und außer Atem erreichte Matruk das Torhaus, einen kleinen Bau direkt über dem Burgtor. Kaum hatte er die letzten Stufen hinter sich gelassen, sah er sich auch schon erzürnt um.
>> Welcher von euch erbärmlichen Bastarden hat mich in dieser, von der Herrin verlassenen Nacht wecken lassen? << , brüllte er, und begann damit, die Reihe der Männer abzugehen. Jedem Einzelnen sah er dabei ins Gesicht und stellte zufrieden fest, dass sie merklich eingeschüchtert waren. Sie fürchteten sich, dass war offensichtlich, und manch einem schien der Schreck in die Knochen gefahren zu sein. Matruk genoss diese Atmosphäre der Angst und beinahe war er sogar versucht, sich zu fragen, ob seine Bemühungen etwa doch begannen, erste Früchte zu tragen.
>> Ich war das! << , erklang plötzlich eine klare, kräftige Stimme im Hintergrund.
Matruk wusste sofort, welche Stunde geschlagen hatte. Er blieb abrupt stehen und es lief ihm kalt über den Rücken. Seine Wut von eben war wie weggeblasen und machte einer schneidend kalten Angst Platz. Unerbittlich kroch sie ihm mit nadelspitzen Fingern tastend bis ins Mark und machte ihm die Gliedmaßen schwer wie Blei. Am liebsten wäre er im Boden versunken, doch diese Gnade sollte ihm nicht zuteilwerden. So drehte er sich langsam, und mit der dumpfen Ahnung, welch tosender Sturm gleich über ihn hereinzubrechen drohte, um, und blickte in das Gesicht von Ritter Londrek, dem Kommandanten der alten Zollfestung. Obwohl er die Stimme seines Befehlshabers genau erkannt hatte, schreckte er bei dessen Anblick dennoch zusammen.
Ritter Londrek war der Herr über diese steinernen Mauern und verantwortlich für das Leben von einhundert Leuenburger Soldaten samt Tross und Gesinde. Ganz im Gegensatz zu Matruk war er ein harter Mann mit Prinzipien. Der Dienst am Herzog und der Krone ging ihm über alles und das Leben als Ritter und Soldat war seine Passion. Ritterliche Tugenden tat er zwar gerne als Humbug ab, doch verfocht er Treue und Loyalität derart vehement, dass Matruk recht schnell zum Schluss gekommen war, diese seien ihm förmlich in die Wiege gelegt worden. Die Familie des Ritters stammte aus den nördlichen Grenzgebieten des Reiches und gehörte zum untersten Satz des niederen Adels. Londrek ließ keine Gelegenheit aus, genau darauf hinzuweisen, und ständig betonte er, wie stolz er doch auf seine Herkunft war, und dass es seinen Vorfahren nur durch harte Arbeit und bedingungslosen Dienst an ihren Herren gelungen war, die Erhebung in den Adelsstand zu erreichen. Am schlimmsten aber wog, dass er allem und jedem diesen Maßstab aufzwang. Wer seinem Beispiel folgte und nach derselben Linie verfuhr, der hatte nichts zu befürchten. Wehe dem aber, der es an Fleiß und Ehrgeiz ermangeln ließ. Der brachte es bei Ritter Londrek fortan zu nichts mehr.
Matruk hasste ihn dafür. Dumm nur, dass er damit der Einzige war. Die anderen verehrten den großen Ritter für seine Art zu denken und fanden gefallen an hochtrabenden Worten wie Fleiß, Ehre und Loyalität. Verdammt noch eins, auch er hatte Qualitäten, selbst wenn diese nicht auf Londreks Liste der tugendhaften Eigenschaften stehen mochten. Er war findig und clever, einfallsreich und listig. Reichte das etwas nicht? Matruk gab herzlich wenig auf Londreks Vergangenheit, und es interessierte ihn auch nicht die Bohne, welchen ehrenhaften Charaktereigenschaften er die wundersame Wandlung seines Blutes von rot nach blau verdankte. Ihm genügte zu
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