Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tortenschlacht

Tortenschlacht

Titel: Tortenschlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G Wachlin
Vom Netzwerk:
aber muss es deshalb teuer sein?
    »Vergessen Sie alles, was Sie über Frauen wissen«, näselt der Verkäufer und federt auf seinem Absatz herum, »die Wahrheit ist, dass wir die Geheimnisse der holden Weiblichkeit nie wirklich zu lösen vermögen, und ich bin immerhin seit über zwanzig Jahren verheiratet.« Schon kramt er in diversen Schubern, Kistchen und Kartons herum. »Aber bis ich die Dame meines Lebens vor den Altar bekam, war es ein ewiger Kampf, mit der Eroberung Babylons nicht zu vergleichen, da half kein Werben und kein Flehen, nicht Nathans des Weisen Ring und auch nicht Schillers Handschuh. Es war alles verlorene Liebesmüh.«
    Mir fallen die Wecker auf, Blessing-Uhren wie der völlig zu Unrecht als Zeitzünder verdächtigte Wecker vorhin. Harmlos stehen sie in den Regalen direkt hinter dem Ladentisch, säuberlich nebeneinander aufgereiht, mit zwei Glocken, Klöppel, Federwerk.
    »Nur eines vermochte sie zu erweichen«, redet der kleine Mann weiter und kommt mit einer grauen Schachtel zurück, »eine kleine, bescheidene Preziose voller Stil, Charme und Anmut. Möchten Sie sie sehen?«
    Bevor ich antworten kann, hat er schon die Schachtel geöffnet und eine runde, etwa fünfzehn Zentimeter hohe Spieldose herausgeholt. Silbrig und golden schimmernd, mit kleinen Blumen und Arabesken verziert: ein wahres Wunderwerk des Kitsches, denn eben klappt sich der Deckel auf, und eine kleine Figur aus lackierter Emaille, in Frack und Monokel an Richard Tauber erinnernd, dreht sich im Kreis, schwenkt absurd die Arme und plärrt mit dürrer Schellackstimme:
    Kein Feuer, keine Kohle kann bren-ne-hen soho ha-heiß,
    Als heim-li-hi-che-he Lie-hi-be, von der nie-hie-mand nicht weiß.
    »Ist das nicht ein großartiger kleiner Kerl«, näselt der Verkäufer begeistert, als handle es sich bei der Emaillefigur um ein Lebewesen, »hören Sie nur!«
    Keine Rose, keine Wolke kann blühü-hen soho schö-hön
    Als wenn zwei verliebte See-he-len bei-eina-han-der tun stehn.
    »Eine echte Antiquität aus der Kaiserzeit«, wirbt der Verkäufer, »hat wie ein Wunder unbeschadet den Weltenlauf überlebt.«
    Setz du einen Spiegel ins He-herz mir hin-nei-hein
    Damit du-hu ka-hannst se-hen, wi-hie treu-heu ich es mein’.
    Damit du-hu ka-hannst se-hen, wi-hie treu-heu ich es mein’.
    Der Deckel klappt automatisch zu, Richard Tauber verschwindet, die Musik stoppt abrupt.
    »Köstlich, nicht wahr?« Der Verkäufer strahlt mich an. »Eine ausgefallenere Überraschung finden Sie nirgends, und ich kann Ihnen garantieren, damit liegt Ihnen der stolzeste Engel zu Füßen, damit fällen Sie auch die deutscheste Eiche. Soll ich es Ihnen hübsch verpacken?«
    »Nein, ich glaube, ich nehme einen von diesen Weckern da.«
    »Treffliche Idee!« Der Mann wirbelt herum, lässt die Spieldose verschwinden und holt umgehend einen Blessing-Wecker aus dem Regal. »Immer wieder gern genommen, immer wieder gern gekauft. Dieser Wecker holt die verschlafenste Mutti wieder aus dem Koma, damit kommen Sie durch die längste Nacht, der klingelt Sie aus jedem Liebesnest. Für Ihre Angebetete hätte ich auch einen in leidenschaftlichem Rot. Und von den silbernen lässt sich sogar Königin Margarethe aus dem Schlaf holen, drei Stück habe ich ans dänische Königshaus verkauft – ja, wer damit geweckt werden will, beweist klassischen Geschmack, Eleganz und Stil …«
    »Sie brauchen ihn nicht einzupacken«, unterbreche ich den Redefluss des Verkäufers, »vielen Dank!«
    »Macht zwölfneunundneunzig«, sagt der Verkäufer und schiebt mir perplex den Wecker über den Tresen.
    »Schönen Tag noch«, lächle ich ihn an und gehe.
    Was will ich eigentlich damit, überlege ich noch, als ich wenig später den Wagen in der Belziger Straße parke. Na ja, vielleicht schenk ich ihn wirklich Monika. Oder ich baue eine Bombe und jage Siggi mit tonnenweise Aceton in die Luft …
    Die beiden muskelbepackten Männer in den zu engen Anzügen am Straßenrand bemerke ich erst, als sie mich schon gepackt und unmissverständlich auf die Rückbank einer großen Limousine genötigt haben.
    »Hey«, protestiere ich und versuche, mich zu wehren, »lasst mich sofort wieder raus!«
    Vergebens. Der Wagen brettert mit quietschenden Reifen los, nur um wenige hundert Meter weiter in der Eisenacher Straße vor dem »L’Emigrante« zu stoppen.
    »Enzo will dich sehen«, sagt einer der Muskelmänner knapp.
    Na toll! Wütend betrete ich das Lokal. Der kann was erleben!
    »Commissario!« Mit

Weitere Kostenlose Bücher