Tortenschlacht
»Wie konnten wir das übersehen?«
»Vermutlich sind Sie im Schutt nur auf die Reste einer Abstellkammer gestoßen«, gebe ich ihnen den Rest, »und dazu würde ja dann auch das Katzenklo passen.«
»Aber genau da war der Brandherd!« Die Feuerwehrleute sind völlig vor den Kopf gestoßen. »Wir konnten wir nur so danebenliegen!«
»Tja, manchmal ist das Leben wie die Werbung im Westfernsehen«, tröste ich sie: »Nicht überall, wo Nougatcreme draufsteht, ist auch Nutella drin.«
Oder anders ausgedrückt: Irren ist menschlich, sagte der Hahn und stieg von der Ente.
27 FÜR EINEN KLEINEN Beamten wie mich sind Politiker schwer zu fassen. Nicht nur wegen der undurchschaubaren Winkelzüge, mit denen sie permanent ihr eigenes Volk übers Ohr hauen, um irgendwie die nächsten Wahlen zu gewinnen, nein, auch sonst sind sie schwer greifbar. Selbst wenn sie in der Opposition sind.
Werner von Lahn jedenfalls scheint vor mir zu flüchten. Seine Privatsekretärin in Wannsee schickt mich zur Fraktion, doch die ist einer Einladung des MagiSenats gefolgt, wo parteiübergreifende Gespräche wegen den bevorstehenden Einheitsfeiern abgehalten werden. Also fahre ich zum Senat im Schöneberger Rathaus, doch die Gespräche finden beim Magistrat im Roten Rathaus statt. Städte mit Doppelregierungen können ganz schön anstrengend sein. Als ich am Alexanderplatz ankomme, darf ich zwar noch einen flüchtigen Blick auf den Regierenden Bürgermeister Walter Momper und sein Pendant im Osten, den Oberbürgermeister Tino Schwierzina, werfen – doch Werner von Lahn treffe ich auch hier nicht. Offenbar hat er die Arbeitsgespräche geschwänzt.
Dann eben nicht. Müßig schlendere ich über den Alexanderplatz. Viele Menschen sind unterwegs, es gibt Hütchenspieler, südamerikanische Straßenmusiker mit Panflöten, shoppende Familien und gelangweilte Jugendliche am zentralen Springbrunnen. Die üblichen Ladenketten machen sich breit, und man kommt sich bereits vor wie in unseren Fußgängerzonen. Nur die Bebauung ist anders: Die Straßen sind breiter, die Häuser höher. Plattenbauten zumeist, die wenigsten schön. Bausünden gibt es in der ganzen Welt, auch westliche Innenstädte sehen oft grauenhaft aus, und man muss sich fragen, was in Architekten vorgeht, wenn sie unsere Städte derart verschandeln.
Interessiert sehe ich mir die Auslagen der Geschäfte an, suche das Exotische und finde Imbissbuden mit Burgern, die hier »Grilletten« heißen, und Hotdogs mit der noch seltsameren Bezeichnung »Ketwurst«. Immerhin ist der Begriff »Grillette« zweimal rot durchgestrichen und durch »Not Ham-, but Berlinburgers« ersetzt worden, was genauso drollig ist.
Inzwischen ist es warm geworden, fast sommerlich, und die Luft flimmert über dem heißen Beton. Obwohl ich mich der Jacke schon entledigt habe, bin ich immer noch viel zu warm angezogen und flüchte in den Untergrund. In den unübersichtlichen, von schmutzigen Neonröhren nur spärlich erhellten, grün und blau gefliesten Verbindungsgängen zwischen diversen U-Bahn-Linien ist es angenehm kühl. Auch Geschäfte findet man hier unten. Vor allem ein Laden, der sich »Ellenbergers Schmuckkästchen« nennt, fällt auf. Vielleicht finde ich hier ja etwas für Monika? Etwas, womit ich mich vom protzigen Stasi-Siggi abheben kann, womit ich charmant und beiläufig verlorenes Terrain zurückerobern kann?
Ich habe den Laden kaum betreten, da federt ein kleiner, etwas untersetzter Herr in Dreiteiler und Fliege heran und fragt geschäftstüchtig nach meinem Begehr.
Tja«, überlege ich gedehnt, »wenn ich das wüsste …?«
»Na, wenn ich Sie mir so ansehe«, redet der Verkäufer mit nasaler, etwas an Theo Lingen erinnernder Stimme drauflos und zupft nachdenklich an seiner Fliege, »suchen Sie was fürs weibliche Geschlecht! Geben Sie’s zu: Sie wollen erobern«, jovial nimmt er mich am Arm und führt mich tiefer in seinen engen, mit Regalen, Vitrinen und allerlei Tand gefüllten Laden hinein, »ich sehe es an Ihrem hungrigen Blick.« Er lacht keckernd, öffnet tänzelnd ein paar Schuber mit billigen Ringen, Ohrhängern und Armbanduhren und schließt sie gleich wieder.
»Nein, warten Sie! Der Herr sucht etwas Besonderes, stimmt’s?« Er deutet wissend mit dem Zeigefinger auf mich. »Die Dame ist nicht leicht zu händeln, vermute ich – und anspruchsvoll?«
»Das kann man so sagen«, erwidere ich, nicht ganz überzeugt, denn ist sie das wirklich? Monika liebt das Besondere, möglich,
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